Werke von Lutosławski, Veress, Juon und Schulhoff

Music for Oboe, Clarinet & Bassoon

Trio Trilli

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Brilliant Classic
erschienen in: das Orchester 07-08/2020 , Seite 77

Trio Trilli, allein schon der Name des Ensembles, bestehend aus den Musikern Massimiliano Salmi (Oboe), Paolo Beltramini (Klarinette) und Diego Chenna (Fagott), klingt wie ein kleines Musikstück. Die 2018 entstandene Aufnahme präsentiert in einer großen Bandbreite die Literatur für ein Trio d’anches auf allerhöchstem künstlerischen Niveau.
Im Trio für Oboe, Klarinette und Fagott (1945) von Witold Lutosławski sind spielerische Virtuo- sität, getragene Gesanglichkeit und perfektes Zusammenspiel für die drei Künstler ebenso eine Selbstverständlichkeit, wie auch die volksliedhafte Stilistik in der Sonatina (1931) des ungarischen Komponisten Sándor Veress. Eine Entdeckung auf dieser CD sind die Arabesken (1940) von Paul Juon, einem Schweizer Komponisten russischer Abstammung, der von Joseph Joachim 1906 als Professor an die Musikhochschule in Berlin berufen wurde. Die Klangfarben in Juons Musik erinnern an den schillernden, spielerischen Impressionismus eines Debussys oder Monets.
Die Brücke zur bildenden Kunst wird gespannt durch das Cover des Booklets: Paul Klees Abstraktes Trio von 1923 spiegelt in seinem Primi- tivismus meisterhaft die Vielfalt der Hörerlebnisse. Mit dem Attribut „primitiv“ hat dies nichts gemein, eher mit der Perspektive des Hörenden, aus der sich, wie bei der Kunst Paul Klees, die „letzte professionelle Erkenntnis“ entwickelt. Ein Strich bei Klee kann in einem Zusammenhang und je nach der Perspektive des Betrachters ein Turm, ein Baum oder ein Mensch sein. Eine Staccatonote in den Arabesken von Juon, entstanden inmitten des Zweiten Weltkriegs, kann als eine kurze Note oder als Bestandteil eines Gebets in dunkler Zeit wahrgenommen werden. Den herausragenden Abschluss der CD bildet das Divertissement (1927) von Erwin Schulhoff. Nach der exemplarischen Einspielung von 1995 durch die Altmeister Ingo Goritzki, Ulf Rodenhäuser und Klaus Thunemann liegt nun endlich eine aktuelle Neuauflage dieses Werks vor. Als Komponist der Goldenen Zwanziger Jahre lebte Erwin Schulhoff in seinen kammermusikalischen Miniaturen all die Gefühlswelten seiner Zeit aus. Ein ironischer Seitenhieb auf die Amerika-Sehnsucht – ein Satz des Werks heißt „Florida“ – ist hier genauso zu finden wie herbe Dissonanzen, neobarocke Rhythmik und eine frivole Charakterisierungskunst.
Die Sentimentalität der Epoche skizziert Schulhoff in dem zierlichen Romanzero, das in der vorliegenden Aufnahme überaus fein und wirkungsvoll gearbeitet ist. Die Lebensgeschichte von Erwin Schulhoff ist wie ein Spiegel der Zeitgeschichte. Sein Tod in einem Konzentrationslager der Nazionalsozialisten macht zurecht betroffen. Hört man sein Divertimento in der Interpretation des Trio Trilli, wird die Musik von der Betroffenheit befreit und zu dem zurückgeführt, was sie ist, nämlich zauberhaft, zerbrechlich und einfach wunderschön.
Holger Simon