Heinrich & Carl Baermann

Music for Clarinet and Piano

Dario Zingales (Klarinette), Florian Podgoreanu (Klavier)

Rubrik: CD
Verlag/Label: Brillant Classics
erschienen in: das Orchester 04/2019 , Seite 74

Vater und Sohn Baermann sind für die Geschichte der Klarinette und ihrer Musik im 19. Jahrhundert von überragender Bedeutung. Beide haben Komponisten zu Werken inspiriert, die zum Standard eines jeden Solisten gehören, und beide waren als gefragte Lehrer tätig. Sohn Carl hat eine Klarinettenschule verfasst, die noch heute wegweisend ist. Außerdem hat er sich um die Verbesserung des Instruments gekümmert.
So ist es eine passende Idee des italienischen Klarinettisten Dario Zingales, der bei Luigi Magistrelli und Alois Brandhofer studiert hat, Vater und Sohn auf einer CD mit einer Auswahl von klavierbegleiteten Werken zu huldigen, bei denen es sich zudem fast ausschließlich um Ersteinspielungen handelt.
Von Heinrich Baermann (1784-1847), dem Inspirator für Carl Maria von Webers Klarinettenwerke, erklingt zu Beginn das Notturno in f-Moll, das mit einer dahinjagenden Klavier-Introduktion beginnt, ehe sich das ruhigere Thema ausbreitet, das kurz unterbrochen wird durch einige solistische Einlagen und in einen lebhaften Schlussteil voller Unruhe mündet, ehe es mit einer unvermeidlichen Stretta schließt – alles ohne romantisch stimmungsvolle Atmosphäre.
Carl Baermann (1810-1885), übrigens aus der Liaison des Vaters mit der berühmten Sängerin Helene (nicht Melene, wie im Booklet zu lesen) Harlas hervorgegangen, hängt in seinem Opus 30 mit etwas melancholischem Ausdruck dem Verlorenen Glück nach, einem lyrischen Salonstück mit kantablem Charakter. In eben diesem kantablen Charakter unterscheidet es sich deutlich vom Werk des Vaters, und dieser Charakter zeigt sich auch in Carls Die kleine Bettlerin und in der groß angelegten Fantasie Brillante op. 7, auch wenn darin – und auch in Air Varié op. 12 Nr. 2 von Heinrich Baermann – dem kompositorischen Handwerk der Variation genüge getan wird, welches zu dieser Zeit bei kaum einer Komposition für die Zurschaustellung des eigenen virtuosen Könnens fehlt.
Davon hebt sich Heinrichs Intro­duktion und Polonaise op. 25 ab, das zu seiner Zeit wohl beliebteste Stück aus seiner Feder, das in verschiedenen Druckausgaben kursierte. Zu hören sind noch 6 Schubert-Lieder in der Bearbeitung durch Sohn Carl. Sie entfalten ihre melodischen Schönheiten zweifellos auch ohne Text, jedoch ohne den wortgezeugten Sinn der Musik zu erschließen. Das ist so, als hätte Schubert in Wien statt Heurigen nur G’spritzten getrunken.
Der Klarinettist Dario Zingales, der auf seinen CDs häufig Reper-toirelücken schließt, spielt die Baermann’schen Kompositionen mit großem Einfühlungsvermögen und äußerster Fingerfertigkeit. Er nimmt sich zusammen mit seinem aus Rumänien stammenden Pianisten Florian Podgoreanu auch die nötigen gestalterischen Freiheiten. Schade nur, dass der manchmal etwas zu harte Klavierklang nicht so recht mit der weicheren Tongebung der Klarinette harmoniert.
Das Booklet erfreut nur den der englischen Sprache mächtigen Hörer – aber das sind wir wohl alle…

Heribert Haase