Music – A Journey for Life. Riccardo Chailly

A Portrait by Paul Smaczny

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: Accentus ACC 20254
erschienen in: das Orchester 06/2016 , Seite 77

„Musik ist die treuste Begleiterin des Lebens, sie ist eine ununterbrochene Reise, auf die man sich sein ganzes Leben begibt.“ Dieser Ausspruch Riccardo Chaillys hat dem filmischen Porträt des Dirigenten den Titel gegeben. Es zeigt ihn bei Proben mit dem Gewandhausorchester in Leipzig, bei seiner Arbeit am Opernhaus La Scala in Mailand und an der Oper von Valencia; aber auch an seinem Rückzugsort in den Bergen; beim Motorradfahren, einer seiner Leidenschaften; beim Schlendern durch Markthallen und im Kreis der Familie.
Der Film entfaltet ein sachliches, unkitschiges Künstlerpanorama von großem Schau-, aber auch Erkenntniswert, denn er dokumentiert die außergewöhnliche Sinnlichkeit und Spiritualität eines überragenden Dirigenten, der neben akribischem Partiturstudium kompromisslos wie nur noch wenige seiner Kollegen fordert: „Man muss in der Oper die Zeit haben, eine Interpretation mit den Sängern am Klavier zu erarbeiten, nicht mit dem Orchester. Es ist zwar eine wichtige Ergänzung, sie kommt aber erst nach der Arbeit mit den Sängern zum Einsatz.“
Im Dirigierstil des heute 63-jährigen Riccardo Chailly verbinden sich hochgespannte körperliche, geistige und intellektuelle Energie, Eleganz und Temperament. „Sparflamme kann er nicht und will er nicht“ – so charakterisiert ihn ein Musiker des Leipziger Gewandhausorchesters: „Unter hundert Prozent, das geht bei ihm gar nicht.“ Paul Smaczny porträtiert mit seinem Film facetten- und perspektivenreich einen der letzten italienischen Maestri „alter Schule“, der vor allem eines hasst: Routine. „Signori, kein Autopilot“, so zitiert ihn ein anderer Gewandhausmusiker.
Der Film zeigt aber auch den Privatmenschen Chailly: „Ich könnte niemals Musiker sein ohne den familiären Rückhalt. Ich hätte nie Dirigent werden können ohne die seelische Kraft, die innerhalb der Familie
erwächst.“ Man erfährt Berührendes über die harte Kindheit Chaillys und seinen strengen Vater, den Komponisten Luciano Chailly, der Künstlerischer Direktor des Mailänder Teatro alla Scala war und das Dirigiertalent des Sohnes zunächst verkannte.
Doch der war selbstbewusst und stark genug, sich gegenüber seinem Vater durchzusetzen. Spätestens als Assistent Claudio Abbados machte Chailly seinen Weg. Er dirigiert an der Wiener Staatsoper, an der Met und in Covent Garden, bei den Berliner und den New Yorker Philharmonikern, war Chef beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, dem Amsterdamer Concertgebouw-Orchester, dem Leipziger Gewandhausorchester und ist seit Januar 2015 Musikdirektor der Mailänder Scala. „Ich glaube, dass die Musik immer ein Element der Hoffnung bereithält. Es gibt immer einen Ausweg. Eine Auflösung für Neurosen, Konflikte und Gewaltausbrüche, die in der Musik wie in unserer Gesellschaft entstehen.“ Das ist die Botschaft des sehenswerten Films.
Dieter David Scholz