Marco Frei

München: Überreiche Potenziale

Eindrücke von der Eröffnung der Isarphilharmonie und weiteren ersten Projekten

Rubrik: Bericht
erschienen in: das Orchester 1/2022 , Seite 56

Das Reden über Akustik gleicht oft einem kryptischen Orakeln. So war das auch, als Ende September zu einer offiziellen Akustik-Abnahme in der neuen Isarphilharmonie in München-Sendling geladen wurde. In diesem Rahmen haben der betreuende Star-Akustiker Yasuhisa Toyota sowie Valery Gergiev als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker und Philharmoniker-Soloklarinettistin Alexandra Gruber von ihren Eindrücken berichtet. Da fiel das Adjektiv „warm“. Jedenfalls betonte Gergiev, dass der neue Saal nicht kalt oder kühl klinge.
Toyota selbst nahm hingegen oft „intim“ in den Mund, was wiederum von Gruber aufgegriffen wurde. Sie sprach von einem „Kammermusik-Klang“. Auf Nachfrage erklärte Gruber, dass man in der Isarphilharmonie „delikater“ und „leiser“ spielen könne als in der jetzt zu sanierenden Gasteig-Philharmonie. Gleichzeitig seien die dynamischen Gestaltungsmöglichkeiten größer.
Beim offiziellen Eröffnungskonzert am 8. Oktober mit den Münchner Philharmonikern und Gergiev am Pult zeigte sich, dass der neue Saal keine Ungenauigkeiten verzeiht. Diese gab es gleich zu Beginn in der ersten Hälfte bei der Uraufführung der postmodern-filmmusikalischen Arising Dances des Franzosen Thierry Escaich. Der Klang wirkte etwas diffus, sowohl zwischen den Streichern als auch zwischen den Bläsern und Streichern. Gergiev wird künftig in diesem Saal konzentrierter proben müssen.
Nach diesem irritierenden Auftakt ging es mit dem Klavierkonzert Nr. 4 op. 58 von Ludwig van Beethoven und dem Solisten Daniil Trifonov deutlich ausgereifter weiter. Hier war wiederum zu erleben, wie facettenreich, differenziert und zugleich präsent der Klavierklang im Raum wirkt. Im Andante con moto des Mittelsatzes war indessen auch das engagierte Stöhnen von Gergiev zu vernehmen. Der neue Saal verzeiht eben nichts, was allerdings auch seine große Stärke ist im Vergleich zu den sonstigen Spielorten in München.

 

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