Martin Hoffmann

München: Standing Ovations!

Festakt zum 500-jährigen Bestehen des Bayerischen Staatsorchesters

Rubrik: Bericht
erschienen in: das Orchester 03/2023 , Seite 54

Wie feiert eines der renommiertesten Orchester der Welt und Münchens traditionsreichster Klangkörper sein 500-jähriges Bestehen? Mit neuen Formaten, neuen Konzepten und neuen Räumen! Zunächst aber mit einem Festakt und einem beziehungsreichen und idiomatischen Programm, das die großartige Geschichte des Orchesters bis ins Jahr 1523 zu seinen Wurzeln zurückverfolgt: Herzog Wilhelm IV. holt den Eidgenossen Ludwig Senfl als Leiter der höfischen Kantorei nach München. Große Namen folgen und schließlich wird 1563 der franko-flämische Komponist Orlando di Lasso vom äußerst kunstsinnigen Herzog Albrecht V. mit der Leitung der Münchner Hofkapelle betraut – ein Höhepunkt in der Geschichte des Orchesters. Auch danach bleibt die rasante Entwicklung der Münchner Hofkapelle eng mit dem Hause Wittelsbach verbunden.
Natürlich steht bis in das 17. Jahrhundert zunächst die geistliche Musik im Vordergrund, ehe sich dann die Oper als repräsentative höfische Gattung etabliert. Im 18. Jahrhundert beginnt schließlich der regelmäßige Operndienst, der bis heute zu den wesentlichen Aufgaben des Staatsorchesters gehört. Und als Karl Theodor als neuer Kurfürst von Bayern 1778 seine Residenz von Mannheim nach München verlegt und 33 Musiker seiner ehemaligen Mannheimer Hofkapelle nach München mitbringt, kommt es zu einer der ersten Orchesterfusionen der Musikgeschichte. Zweifellos eine Zäsur, denn aus dieser geballten Konzentration herausragender musikalischer Kompetenzen resultiert ein ungeahnter Qualitätsschub. Sogleich wird Mozarts Idomeneo 1781 vom wohl besten Orchester der Welt uraufgeführt.
1811 gründen Mitglieder des Hoforchesters dann im Zuge der Emanzipation des Bürgertums den Verein „Musikalische Akademie“. Bis heute prägen diese sogenannten Akademiekonzerte das Münchner Konzertleben. Bedeutende Uraufführungen wie Richard Wagners Tristan und Isolde (1865), Die Meistersinger von Nürnberg (1868) sowie Das Rheingold (1869) und Die Walküre (1870) finden hier in München mit dem Orchester statt. Schon seit 1918, also nach der Abschaffung der Monarchie, trägt das Bayerische Staatsorchester den heutigen Namen. Immer wieder treten die bedeutendsten Künstler ihrer Zeit als Kapellmeister an das Pult: von Richard Strauss, Hermann Levi, Bruno Walter und Hans Knappertsbusch bis hin zu Georg Solti, Joseph Keilberth, Wolfgang Sawallisch, Zubin Mehta, Kent Nagano und Kirill Petrenko. Petrenko hat das Bayerische Staatsorchester mit akribischer Arbeit und Liebe zum Detail immer wieder zu Höchstleistungen angetrieben. Vergleiche mit Carlos Kleiber seien hier erlaubt. Seit der Spielzeit 2021/22 steht nun Vladimir Jurowski als Generalmusikdirektor dem Orchester vor. Ganz anders, doch gewiss nicht weniger analytisch, verfolgt er das Ziel eines transparenten Klangbilds weiter.
Jurowski eröffnet den offiziösen Festakt im vollbesetzten Nationaltheater mit einem schwelgenden Meistersinger-Vorspiel. Schön auch, dass der Bogen mit Blechbläser-Arrangements bis zu Senfl und di Lasso gespannt wird. Ganz gewiss hätten sich die beiden Renaissancegroßmeister über die Strahlkraft so vieler Ventiltrompeten gefreut. Danach, gleichsam als Reverenz an die bayerische Heimat von Richard Strauss, dirigiert Jurowski dessen opulente Alpensinfonie. Zweifellos ein ideales Stück, um die Virtuosität des Orchesters in allen Facetten zu präsentieren. Mit einem abgedunkelten, fein austarierten, düsteren b-Moll-Cluster rehabilitiert Jurowski bereits in den ersten Takten Strauss’ Musik, deren irreführender Titel doch so häufig missverstanden wird. Standing Ovations!