Wolf-Dieter Peter
MÜNCHEN: Barockisch überflutet
„Alcina“ im Münchner Gärtnerplatztheater – solistisch überzeugend
Multi-theatralisch vereinte das im London des Jahres 1735 uraufgeführte Werk schon alle Gattungen. 2025 hält Regisseurin Magdalena Fuchsberger die Problematik um Alcina, um „Frau als Zauberin“, für kulturhistorisch erledigt. Viel stringenter findet sie, dass die im 18. Jahrhundert hochkochende Spannung zwischen Ratio und Emotion doch bis in unsere Jahre als Konflikt zwischen „Geordneter Welt“ und „Ausbruch“, zwischen Berechenbarkeit und Enthemmung wiederkehrt. Folglich zeigen die aufwendigen Kostüme von Pascal Seibicke einen kunterbunt gestylten Querschnitt durch viele Stile und Zeiten bis ins Jetzt. Der gleichsam „geordnete Ritter“ Ruggiero ist in eine irrationale, ihn faszinierende Welt, durch die ihn fesselnde Frau auch in einen anderen Bewusstseinszustand, ja blinden Rausch geraten. Dazu muss Fuchsberger gar nicht „gendern“: So wie sich Alcina äußerlich im Kostüm verändern kann, wird die ehemalige Kastratenpartie Ruggieros als Hosenrolle von einer Mezzosopranistin gesungen. Ruggieros Verlobte Bradamante ist zudem als Ritter verkleidet, um ihn aus den Fängen der Verführerin zu retten – und prompt verliebt sich Alcinas Schwester Morgana in diesen anderen Ritter … Also: Was spielt Geschlecht für die Zauberkraft der Liebe schon für eine Rolle? Da ist ein Meisterwerk von 1735 ganz nahe an 2025.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2025.