Kathrin Feldmann

München: Ansteckende Spielfreude

Konzert der Münchner Symphoniker unter der Leitung von Nodoka Okisawa

Rubrik: Bericht
erschienen in: das Orchester 03/2023 , Seite 58

Subito con forza – resoluten Schrittes betritt Nodoka Okisawa das Podium, hebt die Arme und entfacht mit ihrer ersten Geste einen Fortissimoklang. Nach ihrem Debüt im November 2021 kehrt die 1987 geborene japanische Dirigentin zurück zu den Münchner Symphonikern: als Artist in Residence für die Saison 2022/23. Diese eröffnete sie am 15. Dezember mit Brahms’ Violinkonzert D-Dur op. 77, Beethovens Sinfonie Nr. 7 A-Dur und Unsuk Chins effektvoller Ouvertüre, Satzbezeichnung subito con forza, als Entrée. Perkussive Schläge, plötzliche Akzente der Bläser über einem flirrenden Pianissimoklangteppich der Streicher lassen Chins nur wenige Minuten dauernde Komposition gehetzt erscheinen. Okisawas klares Dirigat führt die Musiker:innen gelassen durch die schwelende Nervosität, ein wenig zu vorsichtig vielleicht, ein wenig schüchtern beinahe.
Brahms’ Violinkonzert mit seinen drei Sätzen Allegro non troppo mit Kadenz von Fritz Kreisler, Adagio und Allegro giocoso führt die hervorragende Violinistin Arabella Steinbacher in durchweg konzentrierter innerer Sammlung an. Fein und empathisch, als befände sie sich in innigem Dialog mit der Solistin, folgt die Dirigentin ohne große Gesten deren Vorgaben und dem Singen der Stradivari Baujahr 1718, bekannt bei Expert:innen als „ex Benno Walter“ – welch Feuerwerk der klanglichen Möglichkeiten: von kristalliner Strahlkraft in höchsten Höhen bis hin zu geerdeter Samtigkeit in den tiefen Registern! Arabella Steinbacher spielt hingebungsvoll mit meist geschlossenen Augen, lächelnd, mit der Musik atmend, die einzelnen Phrasen atmen lassend. Einen eleganten Brahms lernen wir hier kennen, der erste Satz ungewöhnlich langsam, das Finale hingegen furios, mit leidenschaftlichen Fortissimi, die vollendete Virtuosität fordern. Das Orchester, zu Beginn etwas zu präsent, passt sich schnell der eleganten, wie aus einem ewigen Traum in die Realität des Prinzregententheaters geleiteten Interpretation der Solistin an. Es begleitet zurückhaltend, fast blass gelegentlich – man könnte es auch in ehrfürchtiger Bewunderung zurückhaltend nennen, jedoch stets grandios präzise. Das Adagio ist ein einziger Bogen aus Hingabe und Tiefe; die Musik wirkt wie in diesem Moment aus sich selbst geboren und in Arabella Steinbacher hineingegossen, die sie würdig und demutsvoll ernsthaft durch sich hindurchfließen lässt. Ein Teil des Publikums kann gar einem Zwischenapplaus nicht widerstehen.
Wie ein Sieg rauscht anschließend der letzte Satz daher. Alle nur denkbaren Bogentechniken kommen zum Einsatz, heisere Töne klingen neben leichtfüßigen, perlenden Läufen in halsbrecherischen Tempi, die Doppelgriffe springen waghalsig und präzise aus dem Instrument, das gelegentlich in den unteren Lagen wie eine Bratsche klingt. Mit Standing Ovations wird die Solistin geehrt, die ein weiteres Mal zu ihrem Instrument greift, um als effektvolle Zugabe ein Rezitativo und Scherzo von Fritz Kreisler als endgültigen bravourösen Schlusspunkt vor der Pause zu setzen.
Zum zweiten Teil des Abends läuft das Orchester in Beethovens 7. Sinfonie zu Höchstleistungen auf – wie befreit musizieren die Streicher leidenschaftlich und mit ansteckender Spielfreude. Jegliche Kontrolle und Befangenheit scheint beiseite gefegt, pure Lust und volle Fahrt voraus schallt das Vivace durch den Raum. Dem Allegretto begegnen die Celli mit liebevoller Wärme, wenn sie das schuberthaft anmutende Motiv im Pianissimo, welches Beethovens trauriges Hadern mit seinem zunehmenden Hörverlust widerspiegelt, sehr leise und zart interpretieren. Tröstlich zuletzt die Wendung nach Dur, bevor dann später im Finalsatz die Streicher wie Warmblüter schwungvoll durch die Klänge galoppieren, um immer wieder innezuhalten, wenn die Bläser mit Hingabe und voller Wärme von immerwährendem Frieden zu künden scheinen. Minutenlanger Applaus würdigt diesen glänzenden, zauberhaften Konzertabend.