't Hart, Maarten

Mozart und ich

mit Musik-CD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Piper, München 2006
erschienen in: das Orchester 06/2006 , Seite 74

Das Mozart-Jahr hat inzwischen eine kaum mehr zu überblickende Fülle von Buchneuerscheinungen hervorgebracht. Einige von ihnen wie das neue Mozarthandbuch bei Bärenreiter, aber auch Dieter Borchmeyers Mozart oder die Entdeckung der Liebe bei Insel, um zwei gegensätzliche, aber prägnante Beispiele zu nennen, bereichern jede Bibliothek, während die Masse der Veröffentlichungen den Leser oft ohne überwältigenden Erkenntnisgewinn zurücklässt. Es gibt aber auch Veröffentlichungen, die eher Ratlosigkeit verbreiten.
Zu ihnen gehört Maarten ’t Harts Mozart und ich. Der 1944 in der Nähe von Leiden geborene Autor, der auch schon so manches Rätsel aufgebende Buch über Bach veröffentlicht hat, breitet nun seine nicht eben auf Mozarts Musik vorbereitende Jugend vor dem Leser aus. So erhält man einige Einblicke in eine quasi kulturfreie Jugend in der niederländischen Provinz, deren Erkenntniswert ebenso gering bleibt wie auch die Stilistik des Autors – möglicherweise mitbedingt durch die Übersetzung – keinerlei erhöhte Anforderungen an den Leser stellt.
Dass Maarten ’t Hart trotz dieser zugegeben problematischen Startbedingungen seine Liebe zur klassischen Musik entwickeln kann und sich ein durchaus profundes Wissen aneignet, ist für ihn persönlich sicher von großem Gewinn, warum dies aber in gedruckter Form verbreitet werden muss, bleibt ein Rätsel. Unfreiwillig komisch wirken die immer wieder eingestreuten Attacken gegen die Beat- und Rockmusik der 1960er Jahre, wobei den Beatles die Rolle der Teufelsjünger zugeschrieben wird, was rückblickend kurios wirkt.
Unermüdlich ist Maarten ’t Hart dabei, seine besonderen Lieblingswerke Mozart aufzuzählen, ausführlich aus der Standardliteratur über Mozart zu zitieren, aber auch viele Werke aufzuführen, die wohl nur in den Niederlanden zu Mozart rezipiert werden. Die Anmerkungen des Autors zu den Werken verraten einige Fachkenntnis und die unverholene Liebe zum Subjekt des Buchs, was Mozart und ich immerhin wohltuend von manch anderer Publikation abhebt, die sich bald als Produkt von Pflicht und nicht von Neigung zu erkennen gibt.
Andererseits verfügt Maarten ’t Hart nicht über die notwendige erzählerische Brillanz, mit seinem Leben mit Mozart und dessen Werken beim Leser Interesse hervorzurufen. Die Mischung aus durchaus überzeugenden Einsichten und manchem, was nicht nur aus der eifrigen Kompilation entstanden ist, mit von grenzenloser Banalität und Naivität Geprägtem ist aber auf Dauer kaum erträglich. In einem Kapitel befasst sich Maarten ’t Hart beispielsweise mit „Mozart, das jüngste Kind“. Hier zählt der Autor unentwegt andere bedeuten-de Komponisten der Musikgeschichte auf, die ebenfalls als das jüngste Kind ihrer Familie aufwuchsen, um so die angeblich besondere Disposition für kreative musikalische Leistungen zu untermauern. Von unfreiwilliger Komik sind hingegen Kapitel wie „Mozart und mein Köchelwecker“ geprägt. Dank der Digitalanzeige der Uhr (und der schwachen Blase des Autors, auf die er hier ständig verweist) gibt es hier einen eher unergiebigen Streifzug durch die Nummern des Köchelverzeichnisses.
Maarten ’t Hart hat indes immer wieder ansprechende Ansätze zu Mozarts Musik, die aber durch eine kuriose Mischung aus Faktenhuberei und Besserwisserei – ständig meint er bedeutende Mozart-Forscher oder gewichtige Interpreten wie Alfred Brendel korrigieren zu müssen – überschattet werden. Und sein Hass auf die Popularmusik trägt fast manische Züge. Wer Sätze wie: „Sieht es nicht so aus, als würde die barbarische Gewalt der Popmusik all das, wofür Mozart gelebt hat, auslöschen?“, wirklich ernst meint, dessen ansonsten durchaus durchdachten Äußerungen verlieren leider an Glaubwürdigkeit. Immerhin gelungen ist die beigefügte CD mit Klangbeispielen, die auf Bekanntes weitgehend verzichtet und den Hörer stattdessen mit Unbekannterem wie Arien aus Zaide oder dem Lied Abendempfindung, aber auch der f-Moll-Fantasie für Orgel in der Fassung für Klavierduett oder dem Andante mit fünf Variationen für Klavier vertraut macht.
Walter Schneckenburger