Mozart, Salieri
Mozart : Salieri Rivalry?
Prague Sinfonia Orchestra, Ltg. Christian Benda
Antonio Salieri war ein äußerst kluger Kopf. Zugleich musikalisch versiert und im Leben bescheiden. Beruflich stand er über Jahrzehnte in höchster Position. Er erhielt alle Ehren, die ein Musiker von Zeitgenossen bekommen konnte, und war eine Institution in Wien, dem Nabel der damaligen Musikwelt. Er schuf Werke, die über Jahre in den Spielplänen der europäischen Opernhäuser zu finden waren und die ihre Epoche prägten. Er unterrichtete die Großen der kommenden Generation: Schubert, Beethoven oder Berlioz. Er wurde 75 Jahre alt, und als er starb, wurden seine Werke kurz darauf fast ganz vergessen. (Timo Jouko Herrmann hat das Wenige, das man konkret über Salieri weiß, gerade in einer kleinen Biografie zusammengefasst; Morio Verlag Heidelberg.)
Mozart war in ziemlich allem genau das Gegenteil: ein genialer Hitzkopf, ein musikalisches Mirakel von Anfang an, im Leben ein Chaot. Er hielt sich an keine Regeln und beherrschte alle musikalischen Regeln im Schlaf. Er blieb in seiner Zeit oft unverstanden und wurde nicht einmal halb so alt wie sein Kollege. Aber seine Werke wurden schnell zum ewigen Repertoire in jeder Sparte der Musik: Mozart ist und bleibt letztlich unerklärlich. Auch Salieri bewunderte ihn. Dass gerade dieser ihn ermordet haben soll, ist eine Erfindung der Nachwelt, die den Rivalen, der keiner war, diskreditieren sollte.
Mozart und Salieri, die nach neuester Forschung auch zusammenarbeiteten, sind ein ungleiches Paar der Musikgeschichte. Sie gegeneinander antreten zu lassen, auf der Theaterbühne oder im Konzert, hat meist den gleichen Effekt: Salieris Werk ist interessant im Detail, routiniert in der Form und gelegentlich bemerkenswert in der Instrumentation oder im Ausdruck; es liefert im Ganzen aber selten mehr als Dutzendware für ein Publikum, das unterhalten werden will. Seine Ouvertüren und instrumentalen Zwischenspiele für seine Opern sind selten mehr als das: Einführungsstücke und Überbrückungen für Umbaupausen, musikalisch eloquent, heiter im Gestus und routiniert in der Komposition.
Mozart sperrt sich dagegen solche Art der Nebenbeimusik. Seine Ouvertüren und Sinfonien gehen sofort ins Mark. Sie bitten nicht um Stille im Saal, sie lassen jedes Gerede im Keim ersticken. Hier wird nicht um der guten Laune willen musiziert, hier werden Kämpfe gefochten. Selbst heiteres Dur färbt sich düster, und beiläufig erscheinende Floskeln werden dramatische Kernmotive. Mozart spaßt nicht, während Salieri eben doch nur gepflegte Unterhaltung wünscht.
So führt die direkte Konfrontation der Musik dieser beiden Klassiker, wie es nun die Sony-Doppel-CD des impulsiv aufspielenden Prague Sinfonia Orchestra unter der klanglich transparenten Leitung von Christian Benda darbietet, zum vorhersehbaren K.O. des Italieners. Zumal auf einem Terrain, das Salieri offensichtlich mied: der reinen Instrumentalmusik. In der Vokalmusik hätte ein solcher Kampf eventuell sogar die Chance auf ein Unentschieden.
Matthias Roth