Baur, Eva Gesine

Mozart-ABC

Illustriert von Chris Campe

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: C. H. Beck, München 2016
erschienen in: das Orchester 07-08/2016 , Seite 66

Eva Gesine Baurs Erfolge geben ihr Recht – für ihre populär-populistischen Bändchen gibt es definitiv einen Markt. Respektlos und doch mit großem Interesse fürs Objekt geht sie auf ihr Thema los und verbeißt sich manchmal regelrecht in ihm. Dabei versucht sie gar nicht erst, ein klar umrissenes Thema zu erkunden – es handelt sich eher um freie Assoziationen, die Mozart hier auf unterschiedlichste Weise beleuchten. Zu einem wirklichen Gesamtbild gelangt die Autorin damit nicht – die Anekdoten bleiben (gewollt?) Stückwerk.
Dabei scheut sich Baur nicht vor teilweise extrem harten stilistischen Brüchen; auch scheinen manche Abschnitte vom Timing her problematisch – mit Mozarts Dienstherrn, dem Kaiser, könnte man rufen: „Zu viele Worte, liebe Frau Baur!“ Von einer aphoristischen oder anekdotischen Zuspitzung kann nur selten die Rede sein, vielmehr ist der literarische Stil allzu häufig überraschend ungelenk, nicht wirklich verfeinert. Auch dies scheint als Stilmittel gemeint zu sein, beeinträchtigt aber das Lesevergnügen doch beträchtlich, und als Leser mag man fragen, warum der Verlag nicht mit einem kritischen Lektorat gegengelenkt und auch auf Quellennachweisen bestanden hat, deren Fehlen der ausgebildeten Musikwissenschaftlerin nicht zur Ehre gereicht.
Auch vergaloppiert sich die Autorin immer wieder. Schon bei der Frage, ob Mozart die deutsche Sprache beherrschte („Im Fach Rechtschreibung wäre Mozart durchgefallen“), verfehlt sie die Fragestellung durch Ignorieren der damals ganz anders gearteten Variantenmöglichkeiten. Auch bei der Frage, wer den Vornamen Amadeus aufbrachte, geht ihre Wissbegierde am Kern der Sache vorbei – ob Theophil, Gottlieb, Amadé – feste Vornamensschreibweisen gab es selbst bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht, Varianten waren möglich. Dass sich Amadeus durchsetzte, hat sicher nicht zuletzt auch mit der Bewegung der Romantik zu tun und der Verklärung Mozarts durch E.T.A. Hoffmann und seine Zeitgenossen – aber E.T.A. Hoffmanns Name oder die Vereinnahmung Mozarts durch die Romantiker findet in dem ganzen Band keine Erwähnung. Stattdessen gibt es Ausführungen zur Frage, warum Mozart schon 1782/83 keine Perücke mehr tragen wollte. Es gibt Einträge zu den Begriffen „Gans“, „Quietschente“, „Zypernwein“, „Familientreffen“, „Open Air-Veranstaltungen“ (sic!) oder „Doppelkinn“. Ein wenig darf geschmunzelt werden. Für wirklich interessierte Leser ist das Buch aber nur bedingt geeignet.
Auch die Abbildungen entsprechen eher einer altmodischen Herangehensweise; vergleichbare Publikationen gab es auch schon vor vierzig Jahren, damals vielleicht nicht mit der Sachkenntnis, über die Baur verfügt, jedoch mit einem natürlicheren Stilgefühl, das weniger gewollt wirkte als hier.
Jürgen Schaarwächter