Williamson, Gordon

Moving Pictures

für Streichquartett, Partitur/Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Gravis, Brühl 2012/13
erschienen in: das Orchester 09/2014 , Seite 75

Mit seinem Streichquartett legt der 1974 in Ottawa (Kanada) geborene, derzeit in Deutschland beheimatete Komponist Gordon Williamson ein Werk vor, das aus einer Abfolge von neun unterschiedlich langen Sätzen mit einer Gesamtspieldauer von rund 14 Minuten besteht. Vorrangig basiert die 2012/13 entstandene Musik auf dem Einsatz kompositorisch präzise durchdachter Elemente, deren klangliche Wirkung jeweils zugleich auch mit mikrointervallischer Harmonik und einer spezifischen instrumentalen Gestik verbunden ist. Die Verknüpfung von korporalen Bewegungsmustern und klanglichen Vorstellungen wird zur Erstellung eines Vokabulars benutzt, das auf mitunter anspruchsvolle spieltechnische Voraussetzungen zurückgreift: Beispielsweise schreibt Williamson das Streichen auf oder hinter dem Steg vor, fordert eine als Rauschen wahrnehmbare Tonerzeugung auf abgedämpften Saiten oder das perkussive Aufschlagen der Finger auf das Griffbrett, setzt diverse Varianten des Pizzicatos ein, die Tongebung mit unterschiedlich abgestuften Ton-Geräusch-Gemischen sowie unterschiedlich stark differenzierte Kratz- und Schabklänge oder kombiniert Elemente wie das Arpeggio und das Glissando zu fast schon theatral anmutenden Bewegungsabfolgen.
Jeder einzelne Satz basiert, den Titel Moving Pictures aufgreifend, auf einer plastischen, eingangs definierten Klangidee, die im weiteren Verlauf auf ihre unterschiedlichen Möglichkeiten hin befragt und – in übertragenem Sinn – in Bewegung versetzt wird. Dabei verknüpft Williamson einzelne Werkteile durch Verwendung ähnlicher Klänge und Spieltechniken miteinander: So erweist sich der zweite Satz, gekennzeichnet durch alla chitarra mit Plektrum gezupfte rhythmische Abläufe, als neuinstrumentierte Variante der kompositorischen Konfigurationen aus dem ersten Satz; zwischen dem dritten und vierten Satz, beide mit demselben Tempopuls beginnend, bestehen – bei geänderter Bewegungsrichtung der Aktionen – deutliche Parallelen in Bezug auf den Einsatz des Glissando-Arpeggios. Andere Werkteile wiederum arbeiten mit einander kontrastierenden Klangdramaturgien: Der fünfte Satz basiert auf einer unter Ausnutzung von Doppelgriffen und einer gesummten Zusatzstimme entfalteten Harmonik, während der sechste Satz ausschließlich aus Flageolettklängen aufgebaut ist und die Werkteile acht und neun wiederum jeweils unterschiedliche Geräuschimpulse einbeziehen.
Die Anforderungen, die der Komponist an die Musiker stellt, sind recht hoch: Hier ist nicht nur ein hohes Maß an Präzision, sondern auch eine umfangreiche Erfahrung im Umgang mit zeitgenössischen Spieltechniken gefragt. Das Erscheinungsbild der Ausgabe ist sehr übersichtlich, die Wendestellen der einzelnen Stimmen orientieren sich an den Erfordernissen der Praxis. Allerdings sind die ausführlichen einleitenden Anweisungen zur klanglichen Gestaltung der Spieltechniken lediglich in englischer Sprache abgedruckt.
Stefan Drees

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