Werke von Nino Rota, Michel Legrand, Miles Davis und anderen

Move

Romain Leleu (Trompete), Romain Leleu Sextet, Anne Paceo Trio, Stuttgarter Philharmoniker, Ltg. Marcus Bosch

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Harmonia Mundi
erschienen in: das Orchester 02/2023 , Seite 72

Hier kommen zwölf Klassiker der amerikanischen, französischen und italienischen Filmmusik, von zehn unterschiedlichen Komponisten (Nino Rota und Michel Legrand sind je zweimal vertreten) und in zehn Fällen neu arrangiert von Manuel Doutrelant. Der rote Faden ist die Solotrompete, meist mit einem mehr oder weniger starken Bezug zum Jazz und zur Improvisation. Das traditionell königliche Instrument wird hier immer wieder zum klingenden Symbol der Armut und vor allem der Selbstermächtigung.
Die Titel reichen vom langsamen Walzer-Leitmotiv von Nino Rota – es ist abgeleitet aus den ersten Noten der ersten Sinfonie von Jean Sibelius, was man hier besonders gut hört – aus The Godfather Trilogy (Der Pate I–III, Regie: Francis Ford Coppola) bis zu jenem beliebten langsamen Satz aus dem Konzert für Oboe, Streicher und Basso continuo d-Moll von Alessandro Marcello, wie ihn Michel Colombier für den Film Emmanuel verwendete. Stilistisch reicht die Bandbreite von Ohrwürmern wie Moon River aus Breakfast at Tiffany’s (Frühstück bei Tiffany, Blake Edwards) von Henry Mancini bis zum Avantgarde-Score von Jerry Goldsmith zu Chinatown (Roman Polanski). Ab Track 10 kommt das gelungene, hier erstmals eingespielte Konzert für Trompete und Orchester Move von Baptiste Trotignon, Jahrgang 1974, inspiriert durch den Jazztrompeten-Sound von Louis Armstrong, Chet Baker, Miles Davis und Dizzy Gillespie, uraufgeführt 2020 mit dem Widmungsträger Romain Leleu und dem Orchester von Kuopio (Finnland) unter der Leitung von Sascha Goetzel. Wurde das Werk insgesamt konzipiert „als eine sich in fortwährender Entwicklung befindende Bewegung“, ist vor allem der letzte der drei Sätze eine klingende Verbeugung vor den „moving pictures“.
Star der Silberscheibe ist der Trompeter Romain Leleu, ausgebildet zunächst am Pariser Conservatoire (wo er erste Preise errang) und dann bei Reinhold Friedrich an der Musikhochschule Karlsruhe. Sein klangliches Ideal ist weniger die Fanfare als vielmehr die menschliche Stimme. Für weitere Abwechslung sorgt die unterschiedliche Begleitung. In sieben Beiträgen zeigen die Stuttgarter Philharmoniker unter der Leitung von Marcus Bosch – im Hauptberuf Chefdirigent der Norddeutschen Philharmonie Rostock – viel Klassik-Kompetenz. Sie bestehen außerdem einige für die Filmmusik typische Experimente, von komponierter Bewegungslosigkeit bis zu übertriebener poetischer Kraft. Ansonsten begleitet Leleus eigenes Sextett (meist ohne Kontrabass), oft ergänzt durch das Jazz-Trio der Drummerin Anne Paceo.
Ingo Hoddick