Money Jungle
Ellington reorchestrated
Edward Kennedy Duke Ellington (1899-1974), einst Leiter der bedeutendsten Jazz-Bigband aller Zeiten und als Afroamerikaner einer der wichtigsten Komponisten der USA, war auch ein großartiger Pianist, was oft vergessen wird. Als er Anfang der 1920er Jahre aus seiner Heimatstadt Washington nach New York kam, wo er bald mit seiner Band im Kentucky-Club auftrat, suchte er auch Kontakt zu den Pianisten des Harlem-Stride-Stiles wie James Price Johnson. Dieser Einfluss war bis in die späteren Jahre, als er die Platte Money Jungle aufnahm, zu hören, etwa in einer Bevorzugung der tieferen Register des Klaviers. Ellington, der praktisch nie in der gängigen Formation eines Jazz-Klaviertrios aufgetreten ist, sondern fast immer mit seiner Bigband, holte sich 1962 für diese außergewöhnliche Aufnahmesession mit dem Bassisten Charlie Mingus, der 1953 kurz Mitglied seines Orchesters gewesen war, und dem Schlagzeuger Max Roach zwei der führenden Instrumentalisten des Modern Jazz ins Studio. Was dabei herauskam, war kein Piano-Feature, sondern das Werk dreier Meister der Improvisation aus einem Guss.
Diese Combo-Musik hat die hr-Bigband jetzt in den Arrangements und unter der Leitung von Jörg Achim Keller in eine orchestrale Form gegossen. Der Untertitel Ellington reorchestrated besagt, dass Keller Ellingtons Trio-Versionen der Kompositionen neu instrumentiert hat. Der Begriff wiederorchestriert betrifft indes vor allem die als Bigband-Nummern angestammten Titel Caravan, Solitude und Arm Valley.
Doch alle übrigen Stücke der Trio-Session 1962 waren neu, wohl gar nicht notiert, sondern wurden nach kurzer Absprache gleichsam spontan gespielt und kaum auf die Bigband übertragen. Money Jungle, Fleurette Africaine, Very Special und Wig Wise sind von anderen Jazzmusikern wie Herbie Nichols, Cecil Taylor, Michel Petrucciani oder Gary Burton interpretiert worden. Doch Keller leistet mit seinen Orchesterbearbeitungen dieser Titel sowie der vier erst 2002 bei der CD-Wiederveröffentlichung der Platte bekannt gewordenen Bonus-Stücke eine Pioniertat. Er maßt sich nicht an, Ellingtons Musik verbessern zu können. Dabei macht er über das hinaus, was jede Bigband diesem Vorbild schuldet, auch nicht den Versuch, den Ellington-Sound zu kopieren, für den letztlich auch einige große Solisten prägend waren.
Nein, Keller vertraut auf die zum Teil recht jungen Solisten der hr-Bigband und lässt diese ihre eigenen Stile umsetzen. Da ist Heinz-Dieter Sauerborn mit quirligem Bebop-Altsaxofon im Titelstück, da sind an Tenorsaxofonen Julian Argüelles beim mit Tempowechsel dramatisierten Fleurette Africain und Tony Lakatos bei Wig Wise. Günter Bollmann, Posaune, bei Solitude und Martin Auer, Trompete, bei Warm Valley gehören zu den Blechbläsern mit bemerkenswerten Soli. In der Reihe der neueren Produktion der Bigband des Hessischen Rundfunks ist diese CD gewiss eine der interessantesten.
Günter Buhles