Clara Schumann/ Robert Schumann/Wilhelm Killmayer

Mondnacht

NDR Chor, Ltg. Philipp Ahmann

Rubrik: CDs
erschienen in: das Orchester 05/2020 , Seite 76

Mondnacht! Man nehme Joseph von Eichendorffs wohl bekanntestes Gedicht der deutschen Romantik, gebe Chorlieder des Ehepaares Schumann sowie des Orff-Schülers Wilhelm Killmayer dazu – schon entsteht eine CD von unwiderstehlichem Charme. Und wenn dann noch ein Chor agiert, der nicht nur über alle Zweifel erhaben ist, sondern es zudem versteht, mit stilistischer Vollkommenheit in die Mitte des 19. Jahrhunderts einzutauchen, hat man alles richtig gemacht. Der NDR Chor wächst nämlich in dieser Einspielung unter der Leitung von Philipp Ahmann über sich hinaus – egal, ob in doppelchöriger, in gemischter oder in Quartettbesetzung. Nicht umsonst erkor der MDR Rundfunkchor Ahmann jüngst zu seinem Chefdirigenten.
Und das NDR-Ensemble kann auch Männerchor: In acht Sätzen von Wilhelm Killmayer auf Texte Eichendorffs zelebrieren die Herren die sympathisch bodenständige Tonsatzkunst des 2017 verstorbenen Bayern – und das auf hohem Niveau. Wer hätte etwa gedacht, dass aus Killmayers völliger Neuvertonung des hochromantischen Evergreens In einem kühlen Grunde ein kleines, modernes Musikdrama werden kann?
Im Mittelpunkt der CD stehen jedoch Chorsätze von Robert Schumann. Vier im Ausdrucksgehalt sehr unterschiedliche doppelchörige Gesänge machen den Anfang, sie werden vom NDR Chor mit schlanker Klangfülle dargeboten. Und auch der Frauenchor des Ensembles glänzt mit sechs blitzsauber, textverständlich bestechend gesungenen Romanzen. Sicher den größten Bekanntheitsgrad haben etliche gemischte Romanzen und Balladen Robert Schumanns. An diesen so wunderbar leicht vorgetragenen Liedern wie etwa Heidenröslein, Schnitter Tod, Sommerlied oder Der König von Thule kann man sich eigentlich gar nicht satt hören. Und tritt schon bei den Romanzen für Frauenstimmen ein Klavier hinzu, so fügt sich auch hier gelegentlich eine dezent agierende Flöte oder ein tadellos geblasenes Horn als Instrumentalklangfarbe ein.
Der „stille Star“ dieser CD ist allerdings jemand anderes: Clara Schumann – grandiose Pianistin, Pädagogin und Komponistin. Die aus ihrer Feder stammenden Drei gemischten Chöre auf Gedichte von Emanuel Geibel faszinieren vom ersten Ton an: Schumanns Satzkunst ist äußerst einfühlsam, teils komponiert sie flächig, dann wieder verwoben, gelegentlich fallen modern anmutende harmonische Wendungen auf. Die personalstilistische Einordnung ihrer Chormusik fällt auf jeden Fall schwer, und das ist gut so. Oder winkt aus der Ferne gar Johannes Brahms? Schade, dass Markus Schwering in seinem fabelhaft abgefassten Einführungstext hierauf nur sehr kurz eingeht. Von ihm hätte gerne mehr dazu gelesen.
Die CD rundet eine geniale Chorbearbeitung von Robert Schumanns Klavierlied Mondnacht ab. Denn wer, wenn nicht Clytus Gottwald, vermag es, dieses vielleicht romantischste aller Lieder ohne Kitsch und falsche Süße auf Chor a cappella zu übertragen? Und doch zerrt das Lied noch heftig am Gemüt. Aber auch daran ist der superbe NDR Chor nicht ganz unschuldig.
Thomas Krämer