Werke von Strozzi, Falconieri, Monteverdi und anderen

Momenti d’amore

Francesca Lombardi Mazzulli (Sopran), Pera Ensemble

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Berlin Classics 0300664BC
erschienen in: das Orchester 02/2016 , Seite 70

Momente der Liebe, im Rückblick, in der Gegenwart, in der Zukunft, aus Sicht der Geliebten, des Liebhabers oder einer Mutter: Diese Thematik steht im Mittelpunkt der jüngsten CD des Pera-Ensembles, das hier von der Sopranistin Francesca Lombardi Mazzulli verstärkt wird. Die meisten der aufgenommenen Stücke – Kantaten und Arien aus Opern und Sammlungen sowie diverse Instrumentalstücke aus dem 16. und 17. Jahrhundert – sind durchaus nicht unbekannt; und doch erscheinen sie auf dieser CD im ersten Moment so. Denn die in Istanbul beheimateten Musiker von Pera haben es sich zur Aufgabe gemacht, Europa und Nahost, Orient und Okzident, europäische und türkische Instrumente und Stilelemente miteinander zu verschmelzen. Dabei kann man feststellen, dass die Begleitung beispielsweise von Oud, Kanun oder diverser orientalisch anmutender Percussion einem Monteverdi- oder Cavalli-Stück doch eine ganz neue Wirkung verleiht.
Man mag das – trotz des historischen Instrumentariums und der außerordentlich stilsicher agierenden Sängerin – zwar nicht wirklich als Alte Musik bezeichnen, aber nichtsdestotrotz macht es große Freude, diese CD zu hören. Und übrigens auch, das luxuriös und ästhetisch ausgestattete Booklet zu lesen. Alle Beteiligten spielen sehr gut, es gibt technisch nichts zu bemäkeln, und auch vom musikalischen Ausdruck her bleiben keine Wünsche offen, weder bei Barockvioline oder Gambe noch beim orientalischen Instrumentarium. Einfach großartig agiert die Sopranistin Francesca Lombardi Mazzulli mit ihrer so herrlich gerade und fokussiert geführten, leicht kopfigen, aber doch auch wieder ungemein glanz- und kraftvollen Stimme, die sie auch technisch perfekt im Griff hat. Instrumentalisten und Sängerin nehmen die Stimmung der jeweiligen Werke in hervorragendster Weise auf und setzen sie mit allen Stilmitteln des Frühbarock in Klang um.
Aber eben nicht nur mit denen des Frühbarock – und genau da beginnt die CD natürlich zur Geschmackssache zu werden. Immer wieder schleichen sich da nämlich arabisch inspirierte Floskeln in die Einleitung zu einem Stück oder orientalisch anmutende Harmonien in die Continuo-Begleitung, vom reichlich ungewohnten Klang des Kanun (eine Art Hackbrett aus dem arabischen Raum) oder der Oud einmal ganz abgesehen. Doch die auffallendste Verfremdung des barocken Klangbilds rührt sicher vom intensiven Einsatz der Percussioninstrumente her, die zeitweise so dominant sind, dass man sich an Popmusik erinnert fühlt – und die man bei Monteverdi & Co. gemeinhin eher nicht erwarten würde. Das gibt dem Ganzen Schwung und Drive, dürfte aber so manchen Puristen ob des unwillkürlich aufkommenden Easy-listening- und Crossover- Beigeschmacks in die Flucht schlagen.
Insofern: unbedingte Kaufempfehlung für Barockfreunde mit einer gewissen Offenheit fürs Ungewöhnliche und ja, auch Leichte – und klare Warnung an alle, die doch eher zur möglichst authentischen Aufführungspraxis tendieren.
Andrea Braun