Hefti, David Philip

Mobile/con fuoco

Streichquartett Nr. 3 und 4

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Kunzelmann, Adliswil 2011
erschienen in: das Orchester 10/2012 , Seite 63

Welcher Komponist lässt seinen Interpreten in Bezug auf die Aufführungsreihenfolge der einzelnen Sätze seines Werks schon komplett freie Hand? Was sich zunächst sehr gewagt anhört, riskiert David Philip Hefti in seinem dritten Streichquartett. Entstanden ist dieses Quartett im vergangenen Jahr, um zwischen den sieben Abschnitten von Johannes Brahms’ Deutschem Requiem aufgeführt zu werden – dort allerdings schon in einer festgelegten Abfolge. Diesen “Zwang” hebt der Komponist für eine separate Aufführung des Mobile überschriebenen Streichquartetts auf, ja
er ermuntert die Interpreten in einem persönlichen Vorwort geradezu, die Satzabfolge und sogar die Satzzusammenstellung nach Belieben zu verändern. Und so, wie sich Hefti mit seiner Komposition im Großen und Ganzen dem Zufall oder den Launen der Musiker aussetzt, so setzen auch einige der sechs Sätze auf das Stilmittel Aleatorik.
Jede Menge Freiheiten also für die zwei Violinen, die Bratsche und das Cello? Ja und nein! Denn in Sachen Klang und Struktur ist David Philip Hefti gewohnt präzise, setzt dem musikantischen Impuls durchdachte Konstruktionen entgegen. Vieles, so der Komponist in seinem Kommentar, was sich in seinem dritten Streichquartett strukturell auf die Ausgangskomposition von Brahms beziehen mag, ist nicht sicht- oder hörbar. Dennoch sind die sechs Mobile-Sätze weit mehr als nur ein Stimmungsspiegel des großen Chorwerks. Hinzu kommen hohe technische Anforderungen an die Spieler, die sich vor allem in der Organisation der sehr kontrastreichen Klanggestalt manifestieren.
Ebenfalls für das Leipziger Streichquartett ist das so ganz anders organisierte, con fuoco überschriebene und ebenfalls 2011 entstandene Schwesterwerk komponiert worden. Ein Spiel mit dem Feuer ist es allerdings nur insofern, als es sich auf das innere Feuer der Musik bezieht. Auch in diesem einsätzigen Werk ist Hefti wieder der mit viel Übersicht gestaltende Klangkünstler, ein anspruchsvoller Organisator von tönenden Bildern, die zwar abstrakt sein mögen, aber dennoch reich an Konturen und Tiefenschärfe sind.
Der technische Anspruch an die Streicher steht im Quartett Nr. 4 nicht hinter Quartett Nr. 3 zurück, denn David Philip Heftis Sprache als Komponist lebt in besonderem Maße eben auch davon, dass er eine große Bandbreite instrumentaler Möglichkeiten von seinen Interpreten eingesetzt wissen will. Eine profunde Einführung in die geforderten Klangeffekte und eine sehr präzise Notation künden vom Willen, die Klangstrukturen eindeutig und unverwechselbar festzulegen – und vielleicht auch davon, allzu zerstörerische musikalische Flammen in diesem con fuoco-Satz zügeln zu wollen.
Freiheit für die Interpreten, ja – aber am Ende behält David Philip Hefti die Klangregie eben doch fest in Händen.
Daniel Knödler