Köhlerschmidt, Markus / Stefanie Voigt

Mit Pauken und Perücken

Die Lebenskünste der erhabenen Herren Händel, Bach, Telemann und Mozart

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Böhlau, Köln 2014
erschienen in: das Orchester 06/2014 , Seite 66

Eine Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts zu schreiben oder nur zu entwerfen, ist ein denkbar schwieriges Unterfangen, so sehr die Musik dieses Säkulums in unserem Bewusstsein und unserem Konzert- oder Opernrepertoire auch präsent ist. Doch wie den „alten Bach“ und den frechen Mozart neben all den anderen Meistern auf einen Nenner bringen? Wie zwischen gelehrter Fugenkunst und galanter Gesellschaftskunst vermitteln? Viele (zu viele?) verschiedene stilistische Strömungen sowie kulturelle und gesellschaftliche Entwicklungen sind hier zu bedenken und machen es ganz schwer, hier eine Linien zu finden. Nicht umsonst ist der betreffende Band des „Neuen Handbuchs der Musikwissenschaft“ ein Kompendium von Beiträgen mehrerer Autoren.
Das vorliegende Büchlein macht sich nun doch unverdrossen an so eine Art Gesamtdeutung der Musik des 18. Jahrhunderts oder zumindest an die Skizze einer solchen – und zwar in Gestalt der Betrachtung von vier ihrer Protagonisten: Georg Friedrich Händel, Johann Sebastian Bach, Georg Philipp Telemann und Wolfgang Amadeus Mozart. Der Autor und die Autorin setzen deren Leben und Schaffen ins Verhältnis zur Theorie der Erhabenheit in der Philosophie der Zeit. Zwar heißt es in der Einleitung: „Dieses Buch versammelt Anekdoten zu den Komponisten Händel, Bach, Telemann und Mozart vor dem Hintergrund der Ideengeschichte des philosophischen Phänomens ,Erhabenheit‘“, doch ein bisschen mehr als geistreiches Geplauder soll der Text ja wohl schon sein.
Literaturverzeichnis und Anmerkungsapparat, beides jeweils umfangreich, belegen jedenfalls die Gründlichkeit der Recherche – und auf seine Art ist das gelegentlich virtuose Hin und Her zwischen Philosophiegeschichte und philosophischer Reflexion sowie Werkbeschreibung und Klatsch und Tratsch reizvoll und vergnüglich zu lesen. Auch sind viele Details nicht nur aus dem (Liebes-)Leben der vier Meister zu erfahren, die in den üblichen Biografien eher schamhaft verschwiegen werden. Und einige Gedankengänge lohnen gewiss des weiteren Nachsinnens.
Aber so richtig zu überzeugen vermag der Band nicht. Mir scheinen viele Erklärungen zu sehr konstruiert und in das vorgegebene Deutungskonzept gezwängt. Andere Verständnismöglichkeiten werden oftmals gar nicht erst erwogen. Auch setzen die beiden Autoren vor allem bei ihren Aussagen zu bestimmten Werken zu viel Kenntnis voraus. Wer die betreffenden Stücke nicht sehr gut kennt, wird leicht den Faden verlieren.
Aber vielleicht ist auch hier der Weg das Ziel – und man sollte das Buch nicht mit dem Willen erhabener Erkenntnis, sondern als galante Unterhaltung zur Hand nehmen.
Karl Georg Berg