Emilie Mayer

Missing Link

Neu entdeckte Klaviertrios d-Moll, Es-Dur und a-Moll, Klaviertrio Hannover

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin
erschienen in: das Orchester 03/2023 , Seite 70

Dass die Klaviertrios von Emilie Mayer (1812–1883) eine Entdeckung sind, steht außer Frage. Dazu muss man wissen, dass die Kammermusik im 19. Jahrhundert eine große Rolle spielte. In dieser Zeit des Wandels komponierte Emilie Mayer unbeirrt ihre Trios in klassischer Formensprache und mit konsequent eingehaltenen Sonatensatzformen. Wahrscheinlich entstand das Trio in Es-Dur als erstes, bereits in den Jahren 1845 bis 1855 – und mit Sicherheit wurde es 1855 in München uraufgeführt. In derselben Phase komponierte Emilie Mayer das d-Moll-Trio in einer wesentlich romantischeren Klangsprache.
Das Klaviertrio Hannover mit Katharina Sellheim (Klavier), Lucja Madziar (Violine) und Johannes Krebs (Cello) hat auch von diesem gewichtigen Trio eine transparente und dynamisch interessante Aufnahme vorgelegt. Es hat sich hier für die längere von zwei Fassungen entschieden, in der die Komponistin die Mittelsätze gleich lässt, im Eröffnungssatz das thematische Material jedoch noch weiter entwickelt. Die romantischen Akzente sind dabei unübersehbar. Und das schwungvolle Finale ist durch einen neuen Satz ersetzt worden, dessen rhythmische Schwungkraft ungemein besticht. Die Uraufführung dieses formal bedeutenden Trios erfolgte übrigens im Jahre 1856 in Wien am kaiserlichen Hofe, den damals Erzherzogin Sophie regierte, die Schwiegermutter der legendären „Sissi“.
Beim Es-Dur-Trio fallen im dritten Satz die präzisen Pizzicato- und Staccato-Sequenzen auf, die das gut aufeinander abgestimmte Klaviertrio Hannover facettenreich herausarbeitet. Zudem fesseln die zahlreichen dynamischen Kontraste, die sich immer mehr verdichten. Und auch der harmonische Zauber kommt nicht zu kurz. Das umfangreiche thematische Material wird hier immer wieder in klaren formalen Strukturen herausgearbeitet. Davon profitiert auch die eher dezente Wiedergabe des Trios a-Moll. Hier dominiert allerdings aufgrund der dunkleren Tonart auch der eher melancholische Charakter. Insgesamt gefallen bei diesen bedeutenden Klaviertrios die elegischen Klangwelten.
Dem Klaviertrio Hannover gelingt es, feine Nuancen zu setzen und den Sinn für harmonische Zusammenhänge nie zu verlieren. Einflüsse von Brahms und Schumann sind unüberhörbar, wirken aber nie aufdringlich. So ist diese CD eine wertvolle Entdeckung für jeden Freund der Kammermusik.

Alexander Walther