Carl Maria von Weber
Missa sancta No. 1. Freischütz-Messe
Urtext, hg. von Karin Wollschläger, Partitur
Zwar erscheint Carl Maria von Webers sogenannte „Freischütz-Messe“ bislang immer wieder mal auf Tonträger oder auf Konzertprogrammen, doch ins Kernrepertoire wanderte sie eigentlich nie. Das ist schade bei einer so hochkarätigen Musik, die der Komponist während seiner Zeit als Dresdner Kapellmeister für seinen Dienstherrn König Friedrich August I. von Sachsen komponierte.
Die Mischung aus prägnanten Chorpassagen, anspruchsvollen Solo-Abschnitten und einem farbigen „romantischen“ Orchester ist überaus gelungen und beweist, dass der Opernkomponist Weber auch auf dem Gebiet der Kirchenmusik – die auch zu seinen Dresdner Aufgaben gehörte – etwas zu sagen hatte. Ähnlich wie die Bühnenkomponisten Mozart oder Verdi verströmt Webers Sakralwerk einen starken dramatisch-lyrischen Impuls. Die Musik reißt das Publikum ganz unmittelbar mit und erreicht das Herz. Insofern ist die Begeisterung in der Dresdner Hofkirche zu verstehen, wo die Messe am 24. März 1818 erstmals komplett erklang. Den Namen „Freischütz-Messe“ erhielt sie bekanntlich deshalb, weil der Kom-ponist dafür die Arbeit an seiner Oper Der Freischütz unterbrach. Doch auch eine stilistische Nachbarschaft zur Oper ist aus der Musik hier und da herauszuhören.
Eine von Karin Wollschläger betreute Neuausgabe des Carus-Verlags bringt das Werk jetzt noch einmal ins Bewusstsein – gut 20 Jahre, nachdem die Partitur 1998 im Rahmen der Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe (hg. von Dagmar Kreher) bei Schott erschien, dort bereits mit ausführlichem Quellenüberblick, einem Verzeichnis der Lesarten und einer detaillierten Werkbeschreibung.
Die Carus-Edition rühmt sich nun allerdings als die „erste praxisnahe Ausgabe“. So wurden die Orchesterstimmen im Vergleich zum Autograf modern angeordnet und die notierte Partitur folgt etwa „bei der Bogensetzung […] nicht immer exakt den Quellen, sondern interpretiert diese im Sinne der Aufführbarkeit und klanglichen Einheit“, so Wollschläger im umfangreichen Editionsbericht. Diese Neuausgabe hat daher auch die Aufführungspraxis im Blick, freilich ist sie gleichfalls sauber und ausführlich ediert und enthält natürlich auch ein Vorwort zur Werkgeschichte.
Neben den beiden Hauptquellen (die Autografe der Messe und des einzeln überlieferten Offertoriums in der Staatsbibliothek Berlin, Preußischer Kulturbesitz) werden mehrere Partitur-Abschriften mit handschriftlichen Einträgen des Komponisten herangezogen, die sich ebenfalls in Berlin sowie in der Sächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Dresden befinden.
Die Neuausgabe dürfte auch deshalb Zuspruch finden, da man neben der hier besprochenen Partitur (Carus 27.097) nun auch das komplette Orchestermaterial (27.097/19) erstmals kaufen kann – und nicht mehr ausleihen muss. Ein Klavierauszug und eine Chorparti-tur runden das Komplettpaket der Carus-Edition ab. Sie wird in Zukunft neben dem Material aus der Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe die Beschäftigung mit der „Freischütz-Messe“ bestimmen.
Matthias Corvin