Jürg Stenzl / Kerstin Schüssler-Bach

Michael Boder. Dirigieren als Teamwork / Simone Young. Pionierin am Pult

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: edition text + kritik
erschienen in: das Orchester 01/2023 , Seite 64

Dirigent:innen, Musiker:innen, Sänger:innen, Komponist:innen und Musikschriftsteller:innen aus dem 20. und 21. Jahrhundert sind es, die in dieser neuen Reihe der edition text + kritik im Fokus stehen: Unter der Gesamtüberschrift „Solo – Porträts und Profile“ sind hier bislang Bücher etwa zu Fritz Kreisler oder René Leibowitz erschienen; geplant sind demnächst Ferenc Fricsay oder Birgit Nilsson. Auch zwei Dirigierende sind unter den bereits erschienenen Bänden: Simone Young (Kerstin Schüssler-Bach) und Michael Boder (Jürg Stenzl), die auf jeweils etwa 100 Seiten dargestellt werden.
Nun sind Biografien von Dirigent:innen im siebten Lebensjahrzehnt natürlich eine riskante Sache, muss man doch bei dieser – statistisch betrachtet – langlebigsten Berufsgruppe überhaupt damit rechnen, dass das Wichtigste noch kommt. Zusätzlich fragt man sich, wer eigentlich die Zielgruppe eines solchen Buches sein soll. Fans und Konzertbesucher? Noch am ehesten. Doch für diese Zielgruppe scheinen die beiden Bände leider am wenigsten geschrieben.
Das Young-Buch immerhin geht noch in Ansätzen auch auf außermusikalische Aspekte im Leben seiner Titelfigur ein, persönliche Vorlieben, Familie, Soft skills, besondere Persönlichkeitsmerkmale – Aspekte eben, die aus der anonymen Musikerin einen Menschen machen, für den man sich interessieren kann. Im Boder-Band dagegen sind der eigentlichen Biografie gerade einmal 22 Seiten gewidmet, in denen man über den Menschen kaum etwas erfährt.
Dafür findet sich in beiden Büchern in geradezu ausuferndem Maße das, was den regelmäßigen Konzertbesucher auch in Konzertprogrammen und auf Webseiten so langweilt: Listen. Wann was wo dirigiert, mit welchem bekannten Komponisten (wer hätte das gedacht?), welchen Orchestern (oh, Überraschung für einen Dirigenten!) an welcher großen Bühne (nein, wirklich?!) gearbeitet wurde. Was ist das Opern–, das Konzertrepertoire? Das ist auf einer Website schon einigermaßen frustrierend zu lesen, aber in einer Biografie nicht nur geisttötend, sondern auch noch sinnlos; dürften die Listen doch schon bei Erscheinen des Buchs überholt sein. Über den Menschen Boder dagegen wird man nach Lektüre dieses Buchs kaum mehr wissen als vorher (und das vor allem, weil er keine eigene Website betreibt); über Young vielleicht eine Spur mehr (da ihre Website selbst vor allem aus Listen besteht). Lohnt sich dafür die Investition in eines der Bücher? Eher nicht.
Andrea Braun