Schwarze, Andreas

Metropole des Vergnügens

Musikalisches Volkstheater in Dresden von 1844 bis heute. Die Geschichet hinter dem Lachen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Saxophon-Verlag, Dresden 2016
erschienen in: das Orchester 03/2017 , Seite 61

Alle Versuche in der Vergangenheit, die heitere Muse in Dresden heimisch zu machen, hatten das Hof­theater als Konkurrenz, dem die klassischen und anspruchsvollen Werke vorbehalten blieben. So schildert Andreas Schwarze, wie mit „Volkstheater“, „Herminia-Theater“ oder „Residenz-Theater“ das musikalische Volkstheater in Dresden begann, getragen von der Zeitstimmung, in der das Bürgertum sein eigenes Theater forderte. Der Autor beschreibt das mit vielen Details und Zitaten, unzähligen Namen und viel Atmosphäre, lässt sich aber zu sehr auf den Sprachstil der Zeit ein.
Mit dem 1898 eröffneten „Central-Theater“ gab es die „erste Adres­se des Show-Geschäfts in Dresden“, wo Franz Léhar die Premiere seiner Eva dirigierte, Fritzi Massary und Richard Tauber auftraten. Man spielte bis zur Schließung aller Theater 1944, Künnekes Glückliche Reise war die letzte Vorstellung. Da war die Operette längst ein „Kraft durch Freude“-Musentempel, hatte man sich im Nazi-Zeitgeist eingerichtet, war aus dem Albert-Theater ein „Theater des Volkes“ samt „Führer“-Bild im Foyer geworden. Wenn Schwarze über den Intendanten dieser Zeit, Georg Wörtge, schreibt, er sei auf dem Drahtseil durch vier Gesellschaftsordnungen getanzt, oder an anderer Stelle eine Gruppe „miteinander bekannter Künstler, die zur Kaiserzeit, in der Weimarer Republik, der Nazidiktatur und im Sozialismus ihren Beruf in Dresden ausübten“ beschreibt, hätte man sich mehr kritisches Hinterfragen gewünscht.
Nach dem Krieg tummelten sich zwölf Ensembles in Sälen, Gasthäusern und Schulen, ehe buchstäblich aus den Ruinen der Vorgängertheater im ländlichen Vorort Leuben ein neues Operettenhaus entstand. Auch hier gelingt es dem Regisseur, Bühnenautor und Theaterfotograf Schwarze gut, die Zeitstimmung einzufangen: die ideologische Ausrichtung der Theater, die Einbindung der Künstler in das neue System, aber auch die Män­gel des provisorischen Hauses. In der seit 1963 sogenannten Staatsoperette gab es dann auch „Klassenkampf in Frack und Dirndl“, Plakatverbote und Verdacht auf „staatsfeindliche Verherrlichung“ im Weißen Rössl. Der Erfolg beim Publikum stellte sich trotzdem ein. All das sehr informativ, wenn auch manchmal arg blumig, wenn der Autor fürchtet, im rauen Wind der Kulturpolitik könne sich die leichte Muse einen Schnupfen holen.
Nach 1990 rekapituliert Schwarze die Schließungs-, Fusions- und Neubau-Pläne, die allesamt scheiterten. Seit 2003 ist Wolfgang Schaller Intendant, der stets und ständig für ein neues Haus kämpfte. Je näher das Buch dem Ende der Ära in Leuben kommt, desto mehr werden die Superlative: wunderbare Künstler, liebenswerte und erstaunliche Bühne, beste Unterhaltung auf höchstem Niveau. Als hätte es nicht auch schwache Inszenierungen gegeben. Da ist der einstige Regieassistent der Staatsoperette zu nah dran, um auch kritisch hinzuschauen. Und sein sonst verdienstvoller und informativer Band wird zur Werbeschrift für das neue Theater im Kraftwerk Mitte.
Ute Grundmann