Werke von Ludwig van Beethoven, Robert Schumann und Giselher Klebe

Metamorphosis. Horn & Piano

Premsyl Vojta (Horn), Tobias Koch (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Avi-music
erschienen in: das Orchester 07-08/2018 , Seite 68

Was den Hornvirtuosen Přemsyl Vojta aus Brünn, seit Kurzem Erster Hornist im WDR Sinfonieorchester, und den in Düsseldorf lehrenden Pianisten Tobias Koch verbindet, ist die Leidenschaft für die historisch informierte Aufführungspraxis. Frühere Entwicklungsstufen ihrer Inst-
rumente reizen sie zum schöpferischen Dialog zwischen einst und jetzt. Für das vorliegende Programm nutzte Vojta nicht weniger als drei unterschiedliche Horntypen: ein Naturhorn (F. Courtois, Paris 1833) für Beethoven, ein F-Horn (Daniel Fuchs, Wien Ende des 19. Jahrhunderts) für Schumanns op. 70 und ein F-/B-Doppelhorn (Gebr. Alexander, Mainz 2012) für dessen Opera 73 und 94 wie auch für die Beethoven-Bearbeitung von Giselher Klebe.
Ähnliches gilt für Tobias Koch. Er rückte mit drei Tasteninstrumen­ten unterschiedlicher Herkunft zum Probentermin an: einem Pianoforte von Conrad Graf (Wien 1821/22) für Beethovens Hornsonate, einem Pianoforte von Pierre Erard (Paris 1839) für die Schumann-Stücke und einem großen Konzertflügel aus dem Hause Steinway & Sons (Hamburg 1992) für Klebes Beethoven-Metamorphose.
So vermittelt ihre Einspielung nicht nur eine Vorstellung davon, wie die Stücke zu ihrer jeweiligen Entstehungszeit geklungen haben dürften. Sie lässt auch erahnen, wie das unbändige Ausdrucksstreben von Komponisten, der Ehrgeiz der Virtuosen und die konstruktive Fantasie von Instrumentenbauern ineinander greifen, um wechselwirkend neue Dimensionen der Tonwelt zu erschließen.
Beethovens Sonate für Pianoforte und Horn in F-Dur op. 17 von 1800 ist einem waldhornblasenden Teufelskerl namens Giovanni Punto alias Václav Stich aus Böhmen zu danken, der das sogenannte Stopfen erfand. Er brachte es fertig, die in letzter Minute fertiggewordene Sonate quasi prima vista aufzuführen. Was Punto auf dem Naturhorn schaffte und Vojta auch heute noch gelingt, wurde den meisten Hornisten erst nach Erfindung des Ventilhorns um 1815 möglich. Robert Schumann nutzte es 1849 im Adagio und Allegro für Pianoforte und Horn op. 70 ausgiebig, besonders in tiefer und mittlerer Lage. Das romanzenartige Adagio kontrastiert reizvoll zu dem übermütigen Allegro mit lyrischem Mittelteil. Vojta arrangierte zwei weitere Opera Schumanns für sein Instrument: die Fantasiestücke op. 73 für Klavier und Klarinette und die Drei Romanzen op. 94 für Klavier und Oboe aus dem gleichen Jahr. Alle drei Werke Schumanns entstanden in engem Austausch mit Solisten des Dresdner Hofkapelle.
Ein reizvolles Unikum, das dem Klavier eine noch wichtigere Rolle einräumt als Schumanns Bläserstücke, ist die kühne Veränderung, die Giselher Klebe Beethovens „Mondscheinsonate“ zum Detmol­der Horn-Symposion 1986 angedeihen ließ: ein nur mit modernen Instrumenten darstellbares Hybrid, in dem sich das Horn die Freiheit nimmt, dem Klavier markante Motive verfremdend oder parodierend zu entwenden. Die Sechzehntel-Kaskaden des Presto agitato sind selbst für das modernste Horn eine Gemeinheit. Die Vojta freilich nonchalant wegsteckt.
Lutz Lesle