Christiane Wiesenfeldt (Hg.)

Mendelssohn-Handbuch

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Bärenreiter / Metzler
erschienen in: das Orchester 01/2021 , Seite 61

Seit über zwei Jahrzehnten stehen die als Gemeinschaftsausgaben der Verlage Bärenreiter und Metzler erscheinenden Komponisten-Handbücher für kompakte und zugleich fundierte Darstellungen der großen Meister der Tonkunst und haben sich somit als feste Bestandteile der Forschungsliteratur etabliert. Im Laufe der Jahre kamen stetig weitere Bände hinzu – z. B. über Mozart, Beethoven, Brahms, in jüngerer Zeit über Richard Strauss und Puccini. Diese bilden somit zunehmend den Kanon der bekannten Meister ab, was den Eindruck vermittelt: Wem ein solcher Band gewidmet ist, der gehört zu den „Großen“ der Musikgeschichte.
In diesen Kreis reiht sich nun auch Felix Mendelssohn Bartholdy ein, dem der neueste Band gewidmet ist. Die durchweg höchste fachliche Qualität der als Sammelbände angelegten Handbücher wird durch die Mitwirkung von ausgewiesenen Experten zu den jeweils behandelten Komponisten sichergestellt, was auch vorliegend der Fall ist: So finden sich u. a. Beiträge von dem führenden Mendelssohn-Biografen R. Larry Todd und von Helmut Loos als einem der Herausgeber der seit 2017 vollständig vorliegenden Mendelssohn-Briefausgabe.
Mit seinem Beitrag gibt Loos wichtige Einblicke in die Briefkultur des 19. Jahrhunderts und ordnet Mendelssohn in diesen Kontext ein, was dem Nutzer einen ausgesprochen fundierten Überblick ermöglicht. Dass sich Mendelssohn mit älteren Meistern beschäftigt hat, dürfte aufgrund seines Engagements zur Wiederaufführung von Bachs Matthäuspassion weithin bekannt sein. Vergleichsweise weniger bekannt ist selbst in Fachkreisen sein Wirken als Editor von älteren Werken, was der Aufsatz von Daniel Tiemeyer in einem selbstständigen Unterkapitel thematisiert. Für alle Beiträge gilt, dass diese sich stets auf umfangreiches Quellenmaterial stützen.
Die nach Besetzungen bzw. Gattungen gegliederten Werkbesprechungen umfassen mit über 260 Seiten einen beträchtlichen Teil des Bandes. Hervorzuheben ist hierbei, dass jeweils auch die Jugendwerke, wie beispielsweise die Streichersinfonien oder die frühen Instrumentalkonzerte miteinbezogen werden. Dies vermittelt wichtiges Hintergrundwissen über die Entwicklung Mendelssohns in seinem Werdegang als Komponist.
Die Darstellungen zur Rezeptionsgeschichte sprechen alle wichtigen Details zu dieser Thematik an, darunter die Schmähungen Richard Wagners bis hin zu der Wiederentdeckung seit der Nachkriegszeit und die damit verbundenen Schwierigkeiten. Mit dem Kapitel „Mendelssohn im Film“ wird zudem ein weiterer interessanter Aspekt der Rezeption thematisiert – einerseits die Verwendung seiner Werke als Filmmusik, aber auch die Figur des Komponisten im Medium Film, wo man Mendelssohn bislang nur am Rande begegnet.
Das Mendelssohn-Handbuch bildet somit eine rundum gelungene Publikation und eine willkommene Bereicherung für die Musikwelt, aber mehr noch: eine glanzvolle Würdigung des großen Meisters, den kein geringerer als Robert Schumann als den „Mozart des 19. Jahrhunderts“ bezeichnet hat.
Bernd Wladika