Juliu Bertok

Meine Violine

Stücke für Violine Solo/Violine und Klavier

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Ikuro
erschienen in: das Orchester 10/22 , Seite 65

Bereits der Titel „Meine Violine“ deutet auf etwas sehr Persönliches hin, und so ist denn auch diese Sammlung von sieben kurzen Musikstücken eine Hommage an den 2016 verstorbenen Geiger, Komponisten und Pädagogen Juliu Bertok. Bertok wurde 1951 in Baia Mare, Rumänien, geboren, er entstammte der dort ansässigen ungarischen Minderheit. Er studiert und etabliert sich danach als Konzertmeister, Solist, Kammermusiker und Lehrer im Musikleben seiner Heimat. Auf „Umwegen“, wie es im Vorwort des Notenheftes heißt, gelangt er nach Deutschland. Der Neuanfang muss schwer gewesen sein, es ist „allein seine Violine, die ihm Trost, Mut, Kraft und Hoffnung geben kann, um wieder von vorne zu beginnen“.
Immer wieder hat Bertok selbst zu Stift und Notenpapier gegriffen. Er „entdeckt für sich das Komponieren, wo er alle seine Gefühle auszudrücken vermag, die er nicht in Worte zu fassen bekommt.“
Sieben seiner Kompositionen – fünf Stücke für Violine solo und zwei weitere mit Klavierbegleitung – sind jetzt im Ikuro-Verlag Stuttgart erschienen. Es handelt sich durchweg um Miniaturen, und alle haben einen sehr starken persönlichen Bezug, zwei davon sind „Meiner lieben Frau Cornelia gewidmet“. Schöne Juanita – mit Klavier – adaptiert „typische Klangelemente der spanischen Gitarrenmusik, Rhythmen des Flamenco, sowie die Andeutung von Kastagnetten“, Saluto dal Paradiso ist „eine Hommage an einen idyllischen und besinnlichen Moment“ und entstand „in einer Sommernacht im Garten des Komponisten“. Das Capriccio für Violine solo kombiniert Bach, Paganini und ungarischer Folklore entlehnte Stilelemente, das Andante religioso ist „inspiriert von Johann Seb. Bachs Andante aus der Solosonate in a-Moll“. Back to the roots ADA komponierte Juliu Bertok für seine Tochter Andrea – sie ist heute Geigerin im Staatsorchester Stuttgart – anlässlich ihres Hochschulabschluss-Examens. „Die Noten a-d-a durchziehen das gesamte Stück. Back to the roots enthält Elemente rumänischer, ungarischer und jüdischer Folklore. Eingeflossen sind dabei moderne Klangfarben und neue Bogeneffekte.“ Gebet ist eine „Erinnerung an Hiroshima“. Vielleicht am interessantesten ist Iancu Jianu: „Leitmotiv […] ist die Abwandlung eines alten rumänischen Volksliedes, dessen Lebensfreude das ganze Stück durchzieht. Der Rhythmus erinnert an die Klostertradition, bei der die Nonnen in Siebenbürgen, ausgestattet mit einem langen Brett (genannt ‚Toaca‘) und einem Holzschlägel durch die Klosteranlage ziehen und mit rhythmischen Schlägen (pizzicato) zum Gebet rufen.“
Wie sind die Stücke einzuordnen? Dies ist sicher keine „Neue Musik“ gehobenen oder gar avantgardistischen Anspruchs, eher sind es intime Bekenntnisse eines Vollblutmusikers, dem landläufige ästhetische Kategorien und Grenzen unwichtig sind und der sich stilistisch irgendwo zwischen Folklore, Salon und klassischer Miniatur bewegt. Aber war das bei Größen wie Grigoraş Dinicu, Fritz Kreisler und anderen nicht ähnlich? Schön, dass mit dieser gelungenen Edition an Juliu Bertok erinnert wird!
Herwig Zack