Albrecht Dümling
Mein Gorilla hat ‘ne Villa im Zoo
Die Weintraubs Syncopators zwischen Berlin und Australien
„Dass die Comedian Harmonists weiterhin als Stars in Erinnerung sind, während die einmal ebenso berühmten Weintraubs Syncopators […] in Vergessenheit gerieten, hielt der Verfasser für eine historische Ungerechtigkeit.“ Und so hat sich dieser Verfasser, der Musikwissenschaftler Albrecht Dümling, auf die Spuren der einst legendären Jazzband begeben, die in den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ihr Publikum mit Witz und Virtuosität begeisterte. Dümling erzählt vom Siegeszug des Jazz, der aus den USA nach Europa gekommen war, er berichtet, wie die sieben Musiker zusammenfanden, obwohl sie zuvor mitunter ganz andere Berufe ausgeübt hatten, und er verfolgt ihren Weg von der Tanzkapelle Stefan Weintraub zu den Weintraubs Syncopators. Ein Name, über den das Los entschied, denn die Band verstand sich als demokratisches Kollektiv: Programme und Auftrittsorte wurden gemeinschaftlich festgelegt und die ausgehandelten Honorare mussten stets durch sieben teilbar sein, um niemanden zu bevorzugen oder zu benachteiligen.
Es ist ein faszinierender Streifzug durch das Berlin der Goldenen Zwanziger mit seinem reichen Kulturleben, seinen Tanzsälen und Revuen, in dem die Weintraubs Syncopators sich mit ihrer Verbindung von musikalischer Kunstfertigkeit und szenischer Komik bald einen Namen machten. Friedrich Hollaender komponierte viele ihrer Lieder, sie traten mit Josephine Baker auf und beim Filmklassiker Der blaue Engel arbeiteten sie mit der jungen Marlene Dietrich zusammen. Erst der Aufstieg der Nazis beendete die deutsche Erfolgsgeschichte der Band: „Spätestens jetzt wurde den Weintraubs bewusst, dass sie alle jüdischer Herkunft waren.“ Nach dem Reichstagsbrand verließen sie Deutschland und begaben sich auf eine Tournee, die sie unter anderem in die Sowjetunion und sogar nach Japan führte.
Dümling erzählt von Auftritten und Verhandlungen, von privaten Verwicklungen der Bandmitglieder und kuriosen Ereignissen. Und er verfolgt den Weg der Musiker bis nach Australien, wo sie sich niederlassen wollen, aber als Ausländer auf Misstrauen stoßen und sogar der Spionage verdächtigt werden. Zwei Bandmitglieder landen für viele Monate im Internierungslager und schließlich lösen sich die Syncopators ganz auf. Sein Anliegen, die Weintraubs Syncopators dem Vergessen zu entreißen, hat Dümling mit seinem Buch erreicht: Seine Geschichte macht Lust darauf, die Weintraubs neu zu entdecken. Da Plattenaufnahmen kaum mehr erhältlich sind, ermöglicht es der ConBrio Verlag auf seiner Webseite, die flotten Schlager der Band abzurufen. So wird Dümlings Buch zu einer mitreißenden Verbindung von Text und Musik und zu einer beeindruckenden Reise in die musikalische Vergangenheit.
Irene Binal