Cecilie Szkotak Nielsen, Søren Mikael Rasmussen
Mehr Publikum gewinnen
Toolbox für Orchester und Ensembles
Ensemble als Marke
„Marken, die dem Publikum nicht relevant erscheinen, sind die erste Barriere für neue Gäste. Potenzielle Zielgruppen fragen nach Marken, die den Wert des Erlebnisses erklären, anstatt die außergewöhnliche musikalische Qualität.“ Wer Sätze dieser Art mit Bauchschmerzen liest, sollte vom hier besprochenen Buch lieber die Finger lassen. Darin wimmelt es nur so von Begrifflichkeiten aus Marketing und Werbepsychologie: Konzept, Zielgruppe, Marke, Markenidentität, Strategie, Programmierung, digitaler Produktionsplan, Engagement-Matrix. Man kennt das Vokabular von Werbestrategien für Parteien oder für neue Produkte. Das Projekt, um das es in diesem Buch geht, heißt: Mehr Publikum gewinnen. Die Autoren bieten einen Leitfaden (im Marketingjargon: „Toolbox“) für Orchester und Ensembles, genauer: für deren Dramaturgen, um neues Publikum für einen Konzertbesuch zu begeistern. Oder, schnöder formuliert: Wie schafft man es, mehr Tickets zu verkaufen? Einfach mehr Plakate aufhängen hilft bekanntlich schon lange nicht mehr.
Die Autor:innen fassen Erfahrungen aus fünf Jahren Arbeit mit dänischen Orchestern und Ensembles zusammen. Man habe dabei „die gesamte Erlebnisreise des Publikums betrachtet – vor, während und nach dem Konzert“. Herauskristallisiert haben sie sieben „Tools“, also Werkzeuge, mit denen sich die Attraktivität von Klangkörpern steigern lässt: Marke, Programmierung, Konzertkonzepte, Publikumsdaten, digitale Vermarktung, Storytelling, Gastgeberrolle. Stichwort Marke: Als Beispiel dient das fiktive Ensemble „Feuervogel“. Es spielt klassische Musik, aber „in einem erzählerischen Kontext“. Der wird mit Begriffen wie „festlich“, „Verwandlung“, „magischer Glamour“ oder „Flucht aus dem Alltag“ konkretisiert, die auf einem „Marken-Steuerrad“ festgehalten werden. Entscheidend für eine Markenidentität, so die Autor:innen, sei weniger das Qualitätsversprechen des Ensembles („wir spielen Musik auf höchstem Niveau“), sondern dass das Publikum eine „Stimmung, eine Erfahrung, eine Geschichte“ kaufen kann: ein Gedanke, über den nachzudenken sich lohnt. Weshalb das in der Werbebranche seit Längerem gehypte „Storytelling“ breiten Raum einnimmt. Zum Stichwort „Konzertkonzepte“ heißt es: „Neue Publikumsgruppen werden keine Konzertkarten kaufen aufgrund von Komponistennamen und Werktiteln. Sie kaufen Karten aufgrund des Konzepts oder des Erlebnis-Designs.“ Alle sieben „Tools“ werden in Bezug auf die Anwendung sehr kleinteilig, man könnte sagen „praktikantengerecht“, „heruntergebrochen“. Wer bereit ist, ein Orchester oder ein Ensemble als Marke oder Produkt und das Publikum als Konsumenten zu begreifen, wird in dem Buch manche Anregung finden, auch wenn es sprachlich recht hölzern daherkommt.
Mathias Nofze