Werke von Andreas Hillborg, Keith Jarrett, Nicolas Bacri und Henri Sauguet

Méditation

Lajos Lencsés (Oboe), Radio-Sinfonie- orchester Stuttgart des SWR, Ltg. Anton Zapf/Kammerorchester Arcata Stuttgart, Ltg. Patrick Strub/Württembergisches Kammerorchester Heilbronn, Ltg. Ruben Gazarian

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Bayer Records BR 100 315
erschienen in: das Orchester 11/2015 , Seite 82

Ein paar wenige, sanft mit vollendetem Vibrato zelebrierte Töne steigen aus der Oboe auf, mischen sich mit zarten Saitenklängen. Anders Hillborgs Méditation sur Pétrarque für Oboe und Saiteninstrumente eröffnet ein wahres Klangbad. Doch die gesamte CD hält, was der Titel verspricht: meditative neue Musik für Oboe, von Lajos Lencsés grandios eingespielt.
Technisch sicher, klanglich subtil und immer wieder mit dem bekannten perfekten Vibrato gekrönt hat Lencsés hier mehr als nur ein hübsches Alterswerk vorgelegt. Schon nach wenigen Minuten wird der Hörer in den Sog dieser Musik gezogen – auch wer es nicht so mit dem Meditativen hat, findet genug oboistische Details, um fast jede Nummer zu genießen.
Hillborgs Komposition ist nicht ganz frei von klanglichem Zuckerguss und endet im wunderschönen Nirwana eines hohen Tons. Macht nichts, Keith Jarretts Adagio für Oboe und Streichorchester holt den Hörer wieder auf die Erde zurück. Auch diese Musik ist ruhig und meditativ, passt der Oboe sehr gut und lässt ebenfalls in ferne Sphären entschweben – aber durch ein paar ganz leicht jazzige Harmonien und Wendungen erinnert sie eher an einen Sonnenaufgang als ein galaktisches Verglühen.
Notturno op. 74 nannte Nicolas Bacri sein Werk. Die Oboe beginnt solistisch, die Streicher folgen und setzen ein paar akzentuierte tiefe Töne dagegen oder ein paar scheinbar fremde Harmonien dazu. So vermeidet Bacri jede Klebrigkeit und lässt die Oboe noch heller strahlen. Lencsés ist hier ganz in seinem Element des virtuosen, immer noch gnadenlos perfekten Klangmagiers. Lencsés und Bacri, das passt!
Henri Sauguet schrieb The Garden’s Concerto für das Akkordeon und arrangierte es später für die Oboe, verrät Lencsés in seinem Begleittext zur CD. Dem Werk hört man dies nicht an, vielleicht weil auch das Akkordeon seine Töne mit Luft erzeugt und Sauguet ein Händchen für schöne, stimmige Kantilenen und Phrasen hatte, mag man spekulieren. Ein Andantino eröffnet das dreisätzige Werk, das durch Länge und Substanz das Kernstück dieser CD bildet und sie auch beendet. Viele kleine, schöne Passagen edeln diesen ersten Satz. Flotter geht es im zweiten Satz zu: Der fast auf der Stelle tretende Wohlklang mancher Werke, die das Ohr vorher erfreut haben, ist jetzt endgültig vorbei. Trotzdem kann auch dieser Satz als meditativ gelten, da Lencsés ihn mit starker Präsenz bläst und selbst in den Läufen keine Hektik an den Tag legt. Zudem hat dieser Satz viele besinnliche Momente. Lencsés übertreibt die Expressivität nicht, lässt den Ton ein paar Mal hübsch verklingen, kostet die Kadenzen aus, tänzelt in den Staccatopassagen – ein Klanggenuss ohne jeden Kitsch.
Ziemlich bewegt geht das Concerto zu Ende. Fröhliche, signalartige Elemente tändeln zu Beginn durch einen imaginären, sicherlich herrlich blühenden Garten. Die Streicher fassen kräftig zu, wenn es nötig wird, doch Lencsés elegante Oboe liegt spielerisch immer über ihnen. Das ist nicht nur eine Sache der Aufnahmetechnik, das ist pures Können.
Heike Eickhoff