Lüttmann, Reinhard

Méditation III

(A la Lumière de La Palma) für Oboe d'amore (oder Oboe)

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Mieroprint, Münster 2015
erschienen in: das Orchester 05/2016 , Seite 70

Endlich nun hat Reinhard Lüttmann mit Meditation III auch der Oboe d’amore ein klangvolles, verträumtes Stück auf den Leib geschrieben, nachdem er bereits vor Jahrzehnten für Oboe und Englischhorn Solowerke komponiert hat. Da Lüttmann selbst ein sehr erfolgreicher Oboist war (Jürg Baurs Oboenkonzert wurde beispielsweise für ihn komponiert), weiß er genau um die Eigenheiten der Oboe d’amore. Technik und Wohlklang bis hinauf in die höchsten Lagen des Instruments hat Lüttmann hier auf das Notenpapier gebracht, inspiriert von der spanischen Sonne: „Hier waren es die Lichtspiele der Sonnenstrahlen auf dem ruhigen oder bewegten Meer, die mich anregten.“ Mal kreisen kleine Klanggruppen umeinander, mal wird die Bewegung ausladender. Deshalb darf die Oboe d’amore bis hinauf zum notierten e”’ steigen. Selbstverständlich fehlt auch die Tiefe nicht. Méditation III ist ein Werk, das melodisch und harmonisch als gemäßigte neue Musik bezeichnet werden kann. Einige wenige Flageoletts sowie der Wechsel vom geschlossenen zum offenen Ton (unter Zuhilfenahme von Griffen) auf dem c” sind obligat, ansonsten verzichtet Lüttmann bewusst auf moderne Spieltechniken.
Lange Töne, kurze Kantilenen und Sechzehntelläufe lassen die Oboe d’amore jubilieren. Technisch ist es für Musikstudenten und engagierte Musikschüler machbar – Klang, Ausdruck, Intonation und Dynamik müssen jedoch stimmen. Als Spielmusik für mutige Amateure ist das Werk deshalb nur bedingt geeignet. Der kurzen Einleitung folgen Sechzehntelgruppen. Pausen, häufig mit einer Fermate versehen, markieren Ruhepunkte. Die Bewegungen – vielleicht stellt eine jede einen vom Meer reflektierten Sonnenstrahl dar? – verdichten sich, zuerst in Dreiergruppen, dann in Vierergruppen, später in abwärts geführten Fünfergruppen, sie verebben in Achteln. Pausen strukturieren das Geschehen. Mehrere lange Töne, wieder beginnend mit einem klanglich sich verändernden c”, leiten das Ende ein.
Jeder Vorschlag ist hier wohl gesetzt (wie schon zu Beginn des Werks) und leuchtet die Hauptnote harmonisch aus. Manchmal muss innerhalb einer kleinen Gruppe von Noten das Tempo gesteigert werden, was wiederum die Intensität der Melodik erhöht. Auch gibt es Accelerandi, die in Kombination mit Crescendi für ein wenig Ekstase sorgen. Die Dynamik ist recht streng vorgeschrieben und reicht vom Pianissimo zum Fortissimo.
Das kleine Stück lebt und leuchtet dann besonders hell, wenn der Musiker nicht nur die notierten Töne spielt, sondern mit etwas Lust am Ausprobieren innerhalb des vom Komponisten zugelassenen Rahmens den Notentext belebt. Trotzdem muss immer sauber gearbeitet werden. Möglicherweise ist die Méditation III eine echte Bereicherung für Wettbewerbe, in jedem Fall aber ein Glanzpunkt im Konzertprogramm. Alternativ kann das Werk auch mit der Oboe gespielt werden.
Heike Eickhoff