Michael Schwalb

Max Reger

Der konservative Modernist

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Friedrich Pustet
erschienen in: das Orchester 07-08/2018 , Seite 59

Einen wundervollen Appetithappen serviert uns der 1965 geborene Autor, Solocellist und Musikredakteur Michael Schwalb mit seiner kleinen, aber feinen Reger-Biografie, die sich keinesfalls als Konkurrenzschrift zu der von Susanne Popp (seit 1981 Leiterin des Max-Reger-Instituts und engagierte Reger-Förderin) veröffentlichten monumentalen Reger-Biografie von 2015 verstanden wissen möchte. Schließlich erstreckt sich Popps Opus auf über 500 Seiten.
Erstaunlicherweise findet dieser Komponist von Weltrang (immer noch) nicht die Beachtung, die ihm bzw. seinem Werk eigentlich zustünde – ausgenommen seine Orgel­musik, die jahrzehntelang Pflichtliteratur bei den Diplomprüfungen der Organisten war. Zu hören bekommt man selten genug einmal Regers Mozart-Variationen, noch seltener sein Klavierkonzert, kaum eines seiner zahlreichen kammermusikalischen Werke, auch wenn der CD-Markt immerhin einiges zu bieten hat wie das gesamte Klavierwerk, alle Orgelwerke und auch etliches an Orchestralem und Vokalem.
An der Notenbeschaffung kann es auch nicht liegen, dass seine Chorwerke, Lieder und Kammermusik so selten auf den Konzertprogrammen zu finden sind; die Internetplattform International Music Score Library Project (IMSLP) listet 270 Notenausgaben, darunter das Violinkonzert, Sonaten für verschiedene Instrumente, Lieder und geistliche Musik.
„Biographien machen Vergangenheit lebendig“ – so der Herausgeber Thomas Götz. Und so verschlingt man das Buch an einem Wochenende, einer längeren Bahnfahrt oder an ein paar Nachmittagen im Café, denn die neun Kapitel kommen alles andere als lehrmeisterlich einher, bringen einerseits Chronologisches, gehen andererseits auf das reichhaltige Œuvre Regers ein (Orgelwerk, Kammermusik, Klavierwerke, Lieder, Symphonisches und Chorwerke), ergänzt durch (grafisch hervorgehoben) Informationen unter anderem zum Max-Reger-Institut Karlsruhe, zu Weggefährten Regers (Karl Strau­be, Richard Strauss, Georg Szell), zu Regers Arbeitsweise, seinem fotografischen Gedächtnis, aber auch zu „Reger und die Eisenbahn“.
Vervollständigt wird das Buch durch einen Anhang mit Zeittafel, einer Auflistung der wichtigsten Werke, einer Literaturauswahl, einer Liste der Einspielungen Regers als Pianist und Organist sowie knappe Hinweise auf CDs, DVDs und Informationen im Internet. Aufgelockert wird der Text durch die Reproduktion von 15 Fotografien, einigen Zeichnungen und Notenfaksimiles.
Schwalbs kleine Biografie ist eine lesenswerte und mehr als nur unterhaltsame Lektüre zu einem der ganz großen Komponisten, den der Musikschriftsteller und Kritiker Hans Heinz Stuckenschmidt völlig zu Recht in eine Reihe mit Claude Debussy und Richard Strauss stellt, und dessen monumentales und farbigstes Orgelstück über B-A-C-H bedauerlicherweise immer noch auf eine Orchestrierung wartet. Sie sei allen Musikliebhabern wärmstens empfohlen – nicht nur den „Reger-Fans“. Die Publikation ist auch als eBook erhältlich.
Andreas Willscher