Gabriel Fauré/Georges Enescu

Klavierquartett Nr. 2/Klavierquartett Nr. 1

Mariani Klavierquartett (Philipp Bohnen, Violine; Barbara Buntrock, Viola; Peter-Philipp Staemmler, Violoncello; Gerhard Vielhaber, Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: GWK Records
erschienen in: das Orchester 12/2017 , Seite 69

Die Mitglieder des Mariani Klavierquartetts sind im Alter Anfang bis Mitte 30 und spielen in der vorliegenden Formation seit acht Jahren Kammermusik. Davor haben sie in verschiedenen Ensembles die Feinheiten des Zusammenspiels intensiv erarbeitet, kennen sich allerdings schon seit Studientagen und hatten damals bereits konzertiert. Eine Vierergruppe also mit persönlich und musikalisch eng verflochtenem Wurzelwerk.
Die vorliegende CD steht unter einem Motto, und das mit Aussicht auf Fortsetzung: „Idée fixe“, Vol. 1. Der Titel führt in den Charakter der beiden Kompositionen hinein, denn Idée fixe meint in der Musik das, was man Leitmotiv nennt. Die französische Musikgeschichte nennt Hector Berlioz als „Erfinder“ der Idée fixe, ausgearbeitet in der Symphonie fantastique von 1830.
Fünfzehn Jahre später kam Gabriel Fauré zur Welt und wuchs in ein Musikleben hinein, das von Oper und sinfonischem Konzert – meist deutscher Werke – geprägt war. Mit Sonate oder Quartett konnte sich ein junger Musiker deshalb lange kein Gehör verschaffen. Das wurde erst besser, nachdem Camille Saint-Saëns 1871 seine Nationale Musikgesellschaft gegründet hatte. Die führte nämlich vor allem Werke junger französischer (!) Komponisten auf und wurde für Fauré zur musikalischen Heimstatt.
Gabriel Faurés 2. Klavierquartett stammt von1885/86; sein Schüler George Enescu komponierte sein erstes im Jahr 1909. Sie stehen auf der CD einander gegenüber, sind aber verbunden durch die herrschende Idée fixe, die leitende Idee, die in zyklischer Form auskomponiert wird und zu einer hohen Dichte in der Musik führt. Kurz und grob gesagt: Alles hängt thematisch mit allem zusammen, und die vier Sätze zitieren einander, nehmen auf und führen weiter.
Gedankliche Einheit ist das Ziel der Komposition. Nichts soll nur mechanisch kombiniert sein, sondern organisch wachsen, sich entwickeln. Enescu hat Faurés Konzept übernommen und von der Spätromantik sachte in die frühe Moderne getragen. Mit rumänischem Kolorit.
Beide Quartette fordern die Interpreten, denn selbst bei Fauré gibt es trotz traditioneller Anlage gewagte Modulationen und auffällige modale Wendungen in den Motiven. Vertrackt sind auch die Rhythmen. Charaktere folgen einander und gleiten ineinander, bleiben bei aller Unterschiedlichkeit aber immer innerlich verbunden. Und hier setzt meine Kritik an, denn im Fall des Fauré-Quartetts höre ich oft Abbrüche statt vermittelter Übergänge. Dort bricht die Spannung in Dynamik und Tempo ein, die Musik verliert ihr Muster und klingt fast unordentlich. Bei Enescu, obwohl moderner, kam so etwas nicht vor.
Fazit: gutes Konzept, leidenschaftlich musiziert, informatives Booklet, technisch etwas glanzlos in den hohen Tönen von Violine und Klavier. Die Anschaffung lohnt aber.
Kirsten Lindenau