Corina Kolbe
Mantua: In Mantuas Palästen
Kammermusik beim Festival Trame Sonores
Andächtig lauscht das Publikum dem italienischen Geiger Francesco Senese, der im Palazzo Te in Mantua vor illusionistischen Renaissancefresken Sonaten von Bach und Ysaÿe spielt. Die Zuhörer sitzen auf dem Boden um den Solisten herum und erleben ihn aus unmittelbarer Nähe. Seit 2013 bringt das Kammermusikfestival Trame Sonore in den zum UNESCO-Weltkulturerbe zählenden Palästen und Kirchen jedes Jahr im Frühjahr ein Gesamtkunstwerk aus Musik, Malerei und Architektur hervor.
„Trame Sonore“ lässt sich mit „Klanggewebe“ übersetzen. Auf Einladung des Orchestra da Camera di Mantova, des Museumskomplexes Palazzo Ducale und der Stadtverwaltung präsentierten sich an fünf Tagen von Ende Mai bis Ende Juni 300 Künstler bei etwa 200 Veranstaltungen, darunter auch Workshops und Diskussionen. Die Konzerte, die meist nicht länger als 30 bis 40 Minuten dauerten, fanden vom Vormittag bis in den späten Abend hinein statt.
Als Artist in Residence zeigte der Pianist Alexander Lonquich viele Facetten seines Könnens. Ehrengast des Festivals war Alfred Brendel, der für das Quartetto Adorno eine öffentliche Masterclass abhielt. Maria João Pires, die seit diesem Frühjahr nicht mehr als Solistin auf Tournee geht, tritt nun am liebsten mit befreundeten Kammermusikpartnern auf. Nuancenreich interpretierte die große Künstlerin im Teatro Bibiena Beethovens Sonate Pathétique, nachdem der serbische Pianist Miloš Popović das Publikum mit seinem virtuosen Vortrag der Appassionata zu begeistertem Applaus bewegt hatte. In dem kleinen historischen Theater, wo schon der junge Mozart gespielt hatte, verspürten sich die Zuhörer weitaus weniger Distanz zu den Musikern als in so manchem großen Konzertsaal.
Mit einem Festivalpass konnten die Gäste von Trame Sonore die meisten Konzerte ohne vorherige Platzreservierung besuchen. Zwischen den Veranstaltungen blieb Zeit zur Besichtigung der Museen mit ihren weltberühmten Gemälde- und Skulpturensammlungen, die an den fünf Tagen auch abends geöffnet hatten. Unter dem Motto „Hausmusik“ wurden in diesem Jahr erstmals auch Privathäuser zu Konzertorten. Im Innenhof des Palazzo Beccaguti Cavriani, in dem früher ein Militärstratege der Fürstenfamilie Gonzaga gewohnt hatte, spielte der Schlagzeuger Johannes Fischer, Preisträger des ARD-Musikwettbewerbs 2007, zeitgenössische Werke von Iannis Xenakis und Georges Aperghis sowie eine eigene Komposition. In der Konzertreihe „Wunderkammer 2018“ wurde außerdem Neue Musik mit Stücken der klassischen Moderne kombiniert.
Einen wichtigen Schwerpunkt bildete auch die Nachwuchsförderung. Beim der ersten Ausgabe des Youth Chamber Music Meeting spielten Kammerensembles wie das Nannerl Trio und das Trio Luminoso vor Schülern und anderen Festivalgästen. Die jungen Musiker waren im Frühjahr bei einem von Trame Sonore veranstalteten Wettbewerb ausgewählt worden. Ein weiteres Novum waren Konzerte in Kooperation mit Veranstaltern aus dem Ausland, etwa mit dem österreichischen Kammermusikfestival Lockenhaus oder dem Kuhmo Festival in Finnland.