Paul Hindemith

Mainzer Umzug/Symphonische Metamorphosen

LandesJugendChor Rheinland-Pfalz, Philharmonisches Staatsorchester Mainz, Ltg. Hermann Bäumer

Rubrik: CDs
Verlag/Label: cpo
erschienen in: das Orchester 07-08/2021 , Seite 74

Zur 2000-Jahr-Feier der Stadt Mainz komponierte Paul Hindemith 1962 die Kantate Mainzer Umzug für Sopran, Tenor, Bariton, gemischten Chor und Orchester. Hindemith wurde bekanntlich in Hanau bei Frankfurt am Main geboren, also nicht allzu weit von der damaligen Jubilarin entfernt – freilich weiter als sein alter Freund
und in diesem einzigen Fall auch Textdichter Carl Zuckmayer aus Nackenheim in Rheinhessen. Beim Mainzer Umzug waren sie nicht immer einer Meinung, einmal schrieb Zuckmayer sogar an Hindemith: „Wer nur von Frankfort ist, hat nix ze sage!“
In der Kantate ziehen bedeutende Personen und Ereignisse der Mainzer Stadtgeschichte wie bei einem Karnevalszug vorbei. Böppche („Mädchen“, wörtlich „Hinterteil“, Sopran) und Schöppche („Weinglas“, Tenor) geben dazu ihre unbedarften Kommentare, überwiegend auf Meenzerisch, und Pronobis (Bariton) erläutert es dann auf Hochdeutsch, buchstäblich „für uns“.
Die Uraufführung in Mainz war erfolgreicher als die beiden Folgeaufführungen in Berlin und Wien – denn was hat man außerhalb des Dunstkreises der Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz zum Beispiel damit zu schaffen, ob ein Mainzer in Rage gerät, wenn man seine Stadt mit Köln vergleicht, wo sie nicht einmal ihren eigenen Wein keltern können? Das recht launige, aber ziemlich lokal begrenzte Opus verschwand dann auch für fast sechs Jahrzehnte im Verlagsarchiv von Schott in Mainz.
Vor dem Mainzer Umzug kommen auf dieser neuen CD zwei reine Orchesterwerke von Hindemith, nämlich das ergreifend melancholische instrumentale Vorspiel zu dem 1946 (also vor 75 Jahren) entstandenen Requiem auf Worte von Walt Whitman When Lilacs Last in the Dooryard Bloom’d („Als Flieder jüngst mir im Garten blüht‘“) und Hindemiths größter Erfolg, die Symphonischen Metamorphosen nach Themen von Carl Maria von Weber (1943). Als Zugabe gibt es jenen beliebten Narhalla-Marsch, der im Mainzer Umzug dezent angedeutet wird und für den der Militärmusiker Georg Karl Zulehner (1805-1847), einer der Gründungsväter des Mainzer Carneval-Vereins MCV, zwei passende Passagen aus der damals neuen Oper Le Brasseur de Preston von Adolphe Adam entlehnte.
Das Philharmonische Staatsorchester Mainz spielt unter der Leitung von GMD Hermann Bäumer solide und fast immer durchsichtig (ins Gewicht fällt nur, dass die motivisch wichtigen Glockenschläge
in der langsamen Einleitung des Scherzos der Metamorphosen hier kaum hörbar sind). Ein Pluspunkt ist auch die vokale Sektion mit
Marie-Christine Haase als frisches Böppche, Alexander Spemann als Schöppche und Michael Dahmen als Pronobis sowie der hochmotivierte LandesJugendChor Rheinland-Pfalz.

Ingo Hoddick