Andreas Hauff

MAINZ: Täter und Opfer

Weinbergs „Passagierin" zwischen überzeugender Musik und blasser Szene

Rubrik: Bericht
erschienen in: das Orchester 04/2024 , Seite 52

Mieczysław Weinberg (1919–1996) hat keine Aufführung seiner Oper Die Passagierin erlebt. Dass sich das 1968 entstandene Werk seit der szenischen Premiere 2010 in Bregenz zunehmend auf deutschen Bühnen etabliert, ist nicht nur posthume Gerechtigkeit, nicht nur hörens- und sehenswerte Bereicherung des Opernrepertoires, sondern auch ein wichtiger Beitrag zur Erinnerungskultur. Vorlage für die Oper war der gleichnamige Roman der polnischen Auschwitz-Überlebenden Zofia Posmysz (1923–2022) aus dem Jahr 1962. Alexander Medwedjews klug disponiertes Opernlibretto kombiniert die Täter- und die Opferperspektive und setzt der durch Verdrängung und Schuldabwehr geprägten Sicht der einstigen Lager-Aufseherin Lisa die Realität des Lagers entgegen. Man erlebt Brutalität und Zynismus der Wachmannschaften, man sieht aber vor allem die Individualität der weiblichen Gefangenen im Frauenlager, die aus unterschied­lichen Ländern kommen und jeweils ihr eigenes Schicksal mitbringen. Dem entspricht die Vielsprachigkeit der gesungenen Texte.

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