Dorothee Eberhardt

Magma

Monet Quintett, Trio Tricolor, Axel Gremmelspacher (Klavier), Zoltan Kovács (Klarinette), Catherina Lendle (Violine)

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Genuin
erschienen in: das Orchester 12/2022 , Seite 70

Dorothee Eberhardts neue CD trägt den etwas reißerischen Titel Magma. Das ist glühendes, geschmolzenes Gestein, brandheiß und gefährlich – doch zugleich ein faszinierender, berauschender Anblick. Tatsächlich drängen schon die ersten Töne des ebenfalls Magma genannten Bläserquintetts heiß an die Ohren des Hörers und betören durch leuchtende musikalische Farben und technische Brillanz der Musiker:innen. Die sparsame motivische Entwicklung und der permanent stampfende Rhythmus lassen den Satz fast ekstatisch, vor allem aber extrem spielfreudig, virtuos und unterhaltsam wirken. Lange, dissonante Klänge eröffnen den zweiten Satz und drängen bald voran. Letztendlich ist es jedoch ein ruhiger Satz, unterschwellig brodelnd. Der dritte Satz kommt wieder ziemlich rhythmisch daher und verdichtet sich von Takt zu Takt. Die Herren Strawinsky und Bernstein hätten geschmunzelt.
Ursprünglich schrieb Dorothee Eberhardt das dreisätzige Werk Zusammen für Flöte und Kontrabass, später fertigte sie die Version Juntos (spanisch: zusammen) für Violine und Bassklarinette. Musikalisch sperriger als das Bläserquintett Magma und durch die Reduktion auf zwei Instrumente klanglich ­weniger bunt kühlt der glühende Strom akustischen Magmas in Juntos trotz intensiver rhythmischer Arbeit ein wenig ab.
Extravaganza lässt Flöte und Klavier rhythmisch und flott durch den ersten Satz stürmen. Der zweite Satz erhält die Anmutung eines meditativen Tempelgongs durch das repetierende Vibra Tone an Beginn und Ende. Zwischen diesen metallischen Tönen erklingen fein ziselierte Flötenkantilenen über dem ruhigen Klavier. Der dritte Satz ist weitaus bewegter, bietet aber genug Raum für weitere Kantilenen. Der sportive vierte Satz drängt elegant in höhere Flötenlagen, das Klavier deutet teils Tanzrhythmen an.
Eos (griechisch: Morgenröte) lässt Flöte und Klarinette vier Sätze lang miteinander tanzen. Auch hier Spielmusik der besten Art, virtuos, durchdacht und komplex. Harmonisch und formal ist dieses Werk ebenfalls eindeutig der Neuen Musik zugehörig, jedoch wirken die zeitgenössischen Charakteristika wiederum vor allem belebend und griffig, laden zum Zuhören ein und bereiten gleichzeitig virtuosen Interpret:innen viel Freude.
Elf Minuten lang spielen Klarinette und Klavier im einsätzigen Neon miteinander. Die Musik gefällt durch Abwechslung, expressive Affekte und das sehr gute Spiel der beiden Musiker. Komponistin Eberhardt, die auch promovierte Altphilologin ist, hat das letzte Werk dieser CD ebenfalls mit einem griechischen Titel versehen: Kymata (Wellen). Der erste Satz kommt als langes Crescendo daher, der zweite Satz gönnt dem Horn ein paar lautere Töne, der dritte Satz findet nach leisem Beginn zu großer Dramatik. Noch mehr Dramatik, lautere Dynamiken und ein treibendes Klavier beenden mit dem vierten Satz diese CD.
Die Interpret:innen brillieren mit erstklassigem Spiel und verdienen ein besonderes Lob.
Heike Eickhoff