Gustavo Díaz-Jerez

Maghek. Seven Symphonic Poems about the Canary Islands

Royal Scottish National Orchestra, Ltg. Eduardo Portal

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Signum Classics
erschienen in: das Orchester 12/2020 , Seite 72

Sounds, die manchmal entfernt an die psychedelischen Bands der 1960er Jahre erinnern, der farbenfrohe und kultivierte Klang eines sehr guten Sinfonieorchesters, immer wieder auch ruhige kammermusikalische Phasen: Gustavo Díaz-Jerez malt hier virtuose sinfonische Geschichten. Seine moderne Programmmusik ist gespickt mit kleinen musikalischen Überraschungen und glänzend instrumentiert.
Die Klarinette, von Christo Barrios virtuos geblasen, beispielsweise darf im wilden Galopp über Ayssuragan fegen, zwischenzeitlich sanft träumen, sich vom Englischhorn mit ein paar lyrischen Tönen verwöhnen lassen, mit der Flöte um die Wette zwitschern und sich dann wieder und wieder vom Orchester tragen lassen. Díaz-Jerez nennt dieses sinfonische Gedicht („symphonic poem“) schlicht ein Klarinettenkonzert.
Stünde es nicht als brillante Perle im bunten Reigen seiner unlängst erschienenen Seven Symphonic Poems about the Canary Islands, könnte es als solches mit seiner Länge von gut 23 Minuten, dem hohen technischen Schwierigkeitsgrad und der immer irgendwie harmonisch gespannt wirkenden, aber trotzdem in jedem Takt gefühlvollen Musik sofort als eigenständiges und sehr imposantes Solowerk für dieses Rohrblattinstrument punkten. Der Dramatik dieses sinfonischen Gedichts liegt jedoch eine grausame historische Begebenheit in der Geschichte der Ureinwohner der Kanarischen Inseln zugrunde, verrät das Booklet. Überhaupt beziehen sich alle sieben sinfonischen Gedichte auf diese Ureinwohner, die Guanches, und tragen deren Namen für die heute als Kanaren bekannten Inseln als Titel.
Guanapay lässt das Klavier (gewürzt mit ein bisschen unauffälliger Elektronik) solistisch hervortreten. Pianist Ricardo Descalzo schwelgt geradezu in dieser Musik. Bunte musikalische Farben, Dramatik, intime Momente, subtile Klangmalerei, Dramatik und Spannung gibt es auch hier. Chigaday beginnt ruhig, deutet Meeresbrandung an, entwickelt sich zum kurzzeitig orgiastischen Tanz mit dickem Schlagwerk und frechem Blech – immer auf den Punkt musiziert und von Dirigent Eduardo Portal straff gehalten. Am Ende löst sich die Musik in der Gischt auf. Azaenegue folgt, überwiegend ruhig, aber mit quirligen Unterstimmen. Erbane baut beachtliche Dramatik aus kammermusikalischen Vorlagen auf (überzuckert mit Pathos), und Aranfaybo beschließt den Reigen von kleinen musikalischen Einfällen und solistischen Glanzstückchen.
Gleich zwei umfangreiche CDs mit einer Gesamtspieldauer von über 137 Minuten braucht es, um die sieben farbenfrohen und gefühlvollen Sätze unterzubringen. Das Royal Scottish National Orchestra setzt diese Musik virtuos und klangstark um. Spätromantische Klänge, eine Prise mo-derner Spieltechniken sowie Harmonien und Melodik, die sich nicht vom konventionellen Tonsatz einschränken lassen, machen diese CD hörenswert. Die über zehn Jahre hinweg entstandenen sieben Werke haben allesamt jedoch ein permanentes Pathos gemeinsam.
Heike Eickhoff