Christina Schimmer im Gespräch mit Michael Klu­ber­tanz

Interview: Mafiös und sexy

Die Mandoline ist Instrument des ­Jahres 2023 – für den ­Filmkomponisten Michael ­Klubertanz spielt sie schon länger eine Hauptrolle

Rubrik: Zwischentöne
erschienen in: das Orchester 03/2023 , Seite 38

„Man muss die klangliche DNA finden“, sagt Michael Klubertanz. Er hat die Musik zum Jubiläums-Tatort aus Münster geschrieben – mit Mandolineneinsatz. Der jüngste Krimi um den schrulligen Gerichtsmediziner Boerne mit dem Titel Ein Freund, ein guter Freund fand im vergan­genen November 13 Millionen Zuschauer:innen. Christina Schimmer hat mit Michael Klu­ber­tanz gesprochen.

Wie wird man eigentlich Filmkomponist?
Michael Klubertanz: Ich habe eine klassische Ausbildung als Pianist, Organist, Dirigent, war Kapellmeister und bin jetzt Dozent an der Opernschule der Hochschule für Musik in Stuttgart und komponiere freiberuflich Musik für internationale Filmprojekte. Der Film war für mich immer interessant, aber eigentlich kam ich erst während meines Studiums in aktiven Kontakt. Ich habe zu Stummfilmen Musik gemacht, keine Improvisation, sondern jede Note wurde sorgfältig aufgeschrieben. Heute ist es für mich ein kreativer Ausgleich, der das reine Unterrichten ergänzt.

Also ist das Komponieren für bewegte Bilder eher ein Hobby?
Hmm, eigentlich eher eine Passion. Es macht mir Spaß, mich in die Geschichte des Films, die Charaktere der Figuren hineinzuversetzen, mich ihnen zu nähern. Im Tatort aus Münster habe ich überlegt, wie ich die Figur des Pathologen Carl-Friedrich Boerne, die eine glatte, selbstgefällige Oberfläche zur Schau stellt, am besten klanglich umsetzen kann. Boerne trägt immer Anzug und Krawatte, man vermutet eine gut bürgerliche Erziehung. Er hört klassische Musik. Wahrscheinlich hat er als Junge Klavierstunden bekommen. Und schon ist das Bild vom Piano im Kopf. Dann hatte ich die Idee, mit den Initialen CFB (Carl Friedrich Boerne) und den entsprechenden Tonarten zu experimentieren und so entstand das Motiv für den Gerichtsmediziner.

Und was ging Ihnen beim eher gemütlichen Kommissar Thiel durch den Kopf?
Der ist Fußballfan, trägt gern ein FC-St.-Pauli-T-Shirt, das er gefühlt auch im Bett anhat. Thiel ist bekennender Biertrinker, so kam mir der Einfall, für das Motiv mit dem Sound von Bierflaschen und Deckeln zu experimentieren.

Wie schafft man das Gefühl für den Raum, in dem sich die Schauspieler:innen bewegen?
Um den Sound der Pathologie nachempfinden zu können, durfte ich freundlicherweise die Universitätsklinik Heidelberg besuchen. Ich habe mich gefragt, wie klingt das dort, und habe verschiedenste Geräusche aufgenommen – fallende Scheren und Skalpelle –, wollte wissen, wie es sich anhört, wenn die Tür zum Leichenkühlraum zufällt. Diese ganzen forensischen Instrumente kommen in unserem Alltag ja zum Glück eher selten vor. Die musikalischen Puzzleteile, sogenannte Samples, setze ich so zusammen, dass sie die Rolle traditioneller Perkussionsinstrumente komplett übernehmen.

2023 haben die Landesmusikräte die Mandoline zum Instrument des Jahres gekürt, die kommt im Film immer dann vor, wenn die Mafia im Spiel ist …
Mafiöser als mit Mandolinenmusik geht es ja kaum. Es gibt Lieder aus Sizilien, die in Italien verboten sind, weil darin Lobeshymnen auf die Mafia gesungen werden. Im Spiegel ist die CD Il Canto di Malavita* (Das Lied der Unterwelt) als „Folklore des Verbrechens“ bezeichnet worden. Auf der CD sind alte kalabrische Volkslieder zu hören mit wunderschöner Mandolinenmusik. Wer den Film Der Pate von Francis Ford Coppola von 1972 gesehen hat, weiß sowieso, dass Mandolinenmusik gern mit der Mafia in Verbindung gebracht wird.

Wie setzen Sie die Mandoline klanglich ein?
Sie ist unglaublich vielseitig. Man kann sie als rein klassisches Instrument integrieren, aber auch den Volksmusikcharakter unterstreichen. Bei manchen Auftritten von Boerne verwende ich den Klang der Mandoline, allerdings etwas verfremdet. Da geht der Sound Richtung E-Gitarre. Boerne hält sich nicht nur für überdurchschnittlich klug, sondern auch für sexy und da passt dieser Effekt wunderbar. So kommt seine Coolness auch klanglich zum Ausdruck.

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn der Film dann ausgestrahlt wird?
Ich muss zugeben, dass ich den Tatort aus Münster vorher nicht kannte. Dass ich gleich für eine Jubiläumsfolge komponiere, wusste ich zunächst nicht und war überrascht von dem ganzen Trubel. Ende August gab es eine große Premieren-Watchparty mit über 2 300 Zuschauer:innen im ausverkauften Preußenstadion von Münster. Zur Erstausstrahlung habe ich mit ein paar Freunden eine kleine Watchparty mit italienischem Essen gegeben. Sowohl im Stadion als auch zuhause ging es mir so: Selbst das passive Ansehen mit Leuten, die den Film noch gar nicht kennen, ist für mich wie eine Liveaufführung auf der Bühne. Ich bin nervös und fiebere jede Sekunde mit, obwohl ja gar nichts mehr schiefgehen kann. Nach der Abnahme durch den Sender ändert sich nichts am Zustand des Films und während des Filmprojekts ist gar keine Zeit für Nerven.

Nun ist dieses Filmprojekt zu Ende, kommt da ein wenig Wehmut auf?
Es war natürlich schön mit dem Team. Mit der Regisseurin hatte ich bereits ein anderes Filmprojekt gemacht. Der Schauspieler Axel Prahl hat mich zu einem Konzert mit seiner Band eingeladen, das war wirklich etwas Besonderes. Jetzt freue ich mich aber erstmal auf das nächste Filmprojekt, es werden gerade mehrere Optionen bis 2024 diskutiert, mehr möchte ich aber noch nicht verraten.