Luigi Cherubini
Requiem in C minor
Akiko Tsujii (Sopran), Martin Lattke/Paul Kroeger (Tenor), Kammerchor der Frauenkirche Dresden, Philharmonisches Orchester Altenburg-Gera, Ltg. Matthias Grünert
Deutschlands Grünes Herz bietet auch an seinen östlichen Rändern mit Entdeckungen immer wieder Anlässe zu Besuchen. Aber gerade die hier doch schieres Glück verheißende Kooperation des Philharmonischen Orchesters Altenburg-Gera mit dem Kammerchor der Frauenkirche Dresden und Frauenkirchenkantor Matthias Grünert ist nicht ganz so gehaltvoll wie GMD Laurent Wagners regelmäßige CD-Initiativen für Walter Braunfels oder die nur wenig später eingespielte Jubelkantate von Albert Lortzing.Den gewichtigsten Bonus verspielt diese Edition leider, weil auf dem Titel der CD nur das sehr anständig musizierte Requiem in
c‑Moll von Luigi Cherubini steht, aber nicht die zwei wesentlich bedeutenderen Ersteinspielungen in Kooperation mit der Internationalen Cherubini-Gesellschaft: ein Marche funèbre und ein Chant sur la mort de Joseph Haydn für Soli und Orchester (1805) nach der wissenschaftlich-kritischen Edition von Michael Pauser.Da zeigen sich Chancen und Limits. Bei dem die CD-Einspielung flankierenden Konzert zum Jahrestag der Zerstörung Dresdens in der Frauenkirche ließ man beide Trouvaillen einfach aus. Die Aufnahmen verraten den geübten Umgang des Klangkörpers mit Beethoven und Mendelssohn in jedem Takt. Aber dieser Vorzug pegelt gerade bei Cherubini etwas zu sehr in Richtung gesunde Routine. Dabei ist in den vergangenen Jahren für die Musik um 1800 nicht gerade wenig in Sachen historisch informierte Aufführungspraxis geschehen.Der Kammerchor der Frauenkirche zeigt sich betreffend Intonation und Diktion gut in Schuss, lässt aber, ebenso wie das Orchester, etwas an Pointierung und Spannungswillen vermissen. Die Solisten erfüllen, was das Stimmfach betrifft, alle Anforderungen, erhalten jedoch leider nicht die ihnen gebührende aufmerksame Führung. Korrekt einstudiert sind die A‑cappella-Stellen im Chant und lahmen doch etwas vonseiten des sensibel agierenden Frauenkirchenkantors Matthias Grünert, der sich bei den breit ausgefahrenen Tutti-Stellen weitaus wohler fühlt.So standen die personellen Ressourcen für diese Einstellung eigentlich unter einem guten Stern: Ein zwischen Barock und Moderne erfahrener Chor, Solisten mit dem Potenzial für die unterschwellige Dramatik dieser Musik und ein Orchester, das sich mit dem Blick aus der romantischen Zukunft dem doch nicht nur ausladenden Gestus Cherubinis nähert, waren ein letztlich nicht verwirklichtes Versprechen. Vielleicht aber eine Verheißung: Wann kommt nach Hans Sommers so ausgezeichnet gelungenem Rübezahl und Entdeckungen wie den hebräischen Kammeropern von Josef Tal und Machail Gnesin endlich eine komplette Oper von Cherubini im Theater Altenburg-Gera? In diesem Ressort mangelt es seit der kleinen Lodoïska-Welle vor fast zwanzig Jahren an Entdeckergeist und Neugier.
Roland H. Dippel