Werke von Schubert, Berlioz, Doppler und anderen

Luftpost aus Wien

Ulf-Dieter Schaaff (Flöte), Thomas Wellen (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Es-Dur ES 2061
erschienen in: das Orchester 02/2016 , Seite 76

Wenn man nach Österreich reist, muss man wenigstens drei seiner Hauptstädte besuchen: Wien, Pest und Prag, so Hector Berlioz im Rückblick auf seine eigene Reise, die ihn im Oktober 1845 zuerst nach Wien führte, wo ihm als erstes die große Musikbegeisterung der Wiener auffiel. Sein „Ballet des Sylphes“, ein zarter Walzer der Luftgeister aus La damnation de Faust, darf deshalb diese zu Wien und der besonderen Atmosphäre dieser Stadt in enger Beziehung stehende Auswahl eröffnen. In einer die subtile Instrumentierung nachzeichnenden Einrichtung durch den österreichischen Komponisten Joseph Diermaier stimmt das leicht schwebende Zweiminuten-Stück auf ein luftiges, geradezu schwereloses Programm ein: Es verbindet die Fantaisie pastorale hongroise von Franz Doppler, zwar in Lemberg geboren, aber viele Jahre Flötist in Wien, und Schuberts Introduktion und Variationen über Trockne Blumen mit Flötenmusik von drei Wiener Komponisten aus neuerer Zeit: Ernst Krenek, Paul Amadeus Pisk und Friedrich Cerha.
Das unmittelbar ins Ohr gehende Nocturne von Krenek, 1938/39 im Zusammenhang mit seiner Unterrichtstätigkeit entstanden, spielt als intimes, nächtlich-träumendes Zwiegespräch der beiden Instrumente mit fließend ineinander übergehenden Bewegungen und Tonräumen. Die Komposition Introduction und Rondo (1948) von Pisk wechselt zwischen ruhigen und lebhaften Episoden, wirkt heiter bewegt, etwa so, wie der erste Satz der Sonate von Hindemith überschrieben ist. Während beide Komponisten wegen der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten nach Amerika auswandern mussten – Krenek, weil seine Modernität unerwünscht, Pisk, weil er Jude war –, gehört der vielseitige Cerha, 1926 geboren, einer jüngeren Generation an. Seine 1964 enstandenen und 2009 umgearbeiteten 7 Anekdoten sind kunstvolle und zugleich unmittelbar ansprechende Miniaturen.
Von der klangschönen, durchsichtig-sensiblen Spielweise des Duos profitieren aber nicht nur diese drei Kompositionen, sie lässt auch die beiden Repertoirestücke neu und unverbraucht wirken. Dopplers um 1870 komponierte Fantaisie pastorale hongroise, die den Einzugsbereich Wiens repräsentiert, das national vielfältige Gebiet der K.-u.-k.-Monarchie, wird mit die Verbunkos-Effekte fein dosierender Spielfreude dargeboten, klagend und jubelnd scheinen die Töne die Luft der ungarischen Steppe zu erfüllen. Schuberts Variationen spannen den Bogen vom in der Einleitung anklingenden Trauermarsch bis hin zum eigentlich gar nicht fröhlichen Marsch am Ende. Die wechselnden Gefühle des Müllers darzustellen, erweist sich als die eigentliche Aufgabe der Variationen. Die Virtuosität der Instrumente ist daher hier nicht Selbstzweck, sondern erweitert die musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten. All dies eindringlich und überzeugend vermittelt die beim Hamburger Label Es-Dur erschienene, in Konzeption und Ausführung sehr gelungene CD, zu der man den beiden Spielern nur gratulieren kann.
Ursula Pešek