Christian Strehk
LÜBECK: Stumme Schreie der Elektra
In der Regie von Brigitte Fassbaender und unter der Leitung von GMD Stefan Vladar gelingt am Theater Lübeck ein packender Strauss-Abend
Erlösender Tod, Befreiung vom mythischen Fluch der Gewaltspirale? Daraus wird wohl nichts. Elektra stößt auch noch nach der endlich gelungenen Selbstjustiz-Hinrichtung der Mörder ihres Vaters stumme Sehnsuchtsschreie nach ihm aus: Der Verlust des Agamemnon bleibt das pathologisch bestimmende Trauma ihres verdüsterten Außenseiterlebens.
In der ersten gemeinsamen Oper mit Richard Strauss sei zum ersten Mal der Versuch gemacht, „in einen tragischen Moment eine ganze menschliche Psyche zusammenzupressen“, analysiert Hugo von Hofmannsthal – parallel zu Sigmund Freud – sein Libretto zu Elektra. Deshalb schließt die Regisseurin Brigitte Fassbaender auch stimmig den fatal unausweichlichen Kreis mit einer ins Jenseits lauschenden weiblichen Titelfigur, die zu Beginn den königlichen Vater über seinen eigenen, unwürdigen Tod hat klagen hören. Immer wieder deckt sie zwanghaft seinen Platz am Tisch: Hier war er (zumindest laut der zitierten homerschen Odyssee) von seiner Frau Klytämnestra und deren Liebhaber Aegisth heimtückisch erschlagen worden.