Ludwig van Beethoven

Messe C-Dur/Leonoren- Ouvertüre Nr. 3

Genia Kühmeier (Sopran), Gerhild Romberger (Alt), Maximilian Schmitt (Tenor), Luca Pisaroni (Bassbariton), Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Ltg. Mariss Jansons

Rubrik: CD
Verlag/Label: BR-Klassik 900170
erschienen in: das Orchester 05/2019 , Seite 62

Live ist gut! – mit diesem Selbstbewusstsein wirft das hauseigene Label des Bayerischen Rundfunks seit 2009 in schöner Regelmäßigkeit eine inzwischen beachtliche Vielzahl an Klassik-CDs auf den Markt. Das Vermarktungskonzept, das etwa auch das London Symphony Orchestra verfolgt, betrifft Konzertaufnahmen des BR-Symphonieorchesters, des BR-Chors und des Münchner Rundfunkorchesters – sämtlich ausgezeichnete Klangkörper, wovon man sich bei der Gelegenheit immer wieder überzeugen kann.
Gleichwohl muss sich der Käufer einer solchen keineswegs niedrigpreisigen CD im Klaren darüber sein, dass so ein Konzertmitschnitt gegenüber einer Studioaufnahme vor allem billiger herzustellen ist und zumindest ein paar Nachteile hat, auch wenn die Zeiten vorbei sind, als die Technik hustende Zuhörer nicht herausfiltern konnte. Meist reichen die Daten von zwei mitgeschnittenen Konzerten aus, um daraus eine ziemlich fehlerfreie dritte Version zusammenzusetzen. Gerade, wenn die Ausführenden wie hier auf hohem professionellem Niveau arbeiten. Das gilt auch für die Tonmeister.
Auf dem vorliegenden Mitschnitt von Beethovens nicht oft zu hörender Messe in C-Dur op. 86, der im Januar 2018 in der Münchner Philharmonie entstand, überzeugt vor allem der plausible, miterlebbare musikalische Ansatz Mariss Jansons’. Er wählt flüssige Tempi, legt Wert auf weite dynamische Differenzierung, lässt dem Chor Raum und Zeit – und fokussiert auf die vielen Ungehörigkeiten, die Beethoven zum Schrecken seiner Zeitgenossen in die Messkomposition eingebaut hat. Ja, wer damals bisher nur Haydn oder Mozart gewohnt war, wird sich bei dieser selbstbewussten, individuellen Stimme verwundert die Ohren gerieben haben. Das ist auch auf der heimischen Soundanlage schön mitzuerleben.
Weniger schön sind die kleinen Ungenauigkeiten, die beim aufmerksamen Hören auffallen: die bisweilen ausfransenden Abschlüsse, die schon fast ärgerlichen unterschiedlichen Vokalfarben der Solisten sowie kleine Intonationswackler hie und da. Klar kann man kalauern: That’s live. Aber sie sind nun einmal da, diese Stellen, und eben nicht korrigiert.
Wenig erfreulich erscheint auch die Tatsache, dass sich der Hinweis, dass es sich bei der CD
um einen Konzertmitschnitt handelt, erst im Kleingedruckten des Booklets findet. Dort entdeckt der Leser auch, dass die dritte Leonoren-Ouvertüre, die der Messe hinzugefügt wurde, um die CD auf annähernd 60 Minuten Spielzeit zu bringen, aus dem Jahr 2004 stammt, aufgenommen im Herkulessaal und kurioserweise vom selben Tonmeister. Immerhin hat sie mit der Messe das C-Dur des Schlusses gemein. Und den mitreißenden Duktus, für den Mariss Jansons offenbar schon in jüngeren Jahren stand. Insgesamt aber überwiegen beim Hören der CD eher gemischte Gefühle.

Armin Kaumanns