Love Duets

Werke von Verdi, Bellini, Donizetti u. a.

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Philips 476 3061
erschienen in: das Orchester 06/2006 , Seite 85

„Passion lives here“: Nur allzu gerne würde man das Motto der italienischen Winterolympiade dieser Sammlung von Liebesduetten zuschreiben. Sie ist außergewöhnlich, bringt musikgeschichtliche Kleinode ans Licht (und genau gesehen nicht immer „reine“ Liebesduette, so „In mia man alfin tu sei“ aus der 1831 uraufgeführten Oper Norma von Vincenzo Bellini), überrascht durch ihre erfrischende Auswahl und durchschreitet mutig drei Jahrhunderte italienischer Operngeschichte: von der Norma Vincenzo Bellinis (1831) und Gaetano Donizettis Elisir d’amore (1832) über die Opern Pietro Mascagnis (L’amico Fritz, 1891) und Umberto Giordanos (aus Andrea Chénier 1896 und La cena delle beffe 1924) bis zu Adriana Lecouvreur des in Deutschland weniger bekannten Komponisten Francesco Cilèa (1902).
Was die Interpretationen dieser Aufnahme betrifft, müsste man allerdings sagen: „Drama lives here“, denn die herausragende Stimme von Daniela Dessì verlangt nach dramatischen, ausdrucksstarken Rollen. Eine solche Stimme vermag alles zu singen, von den Meistern der Alten Musik wie Monteverdi bis zu den Opern Puccinis (sie gibt neben Armiliatos Cavaradossi eine leidenschaftlich melodiöse Tosca, im Mai 2007 in der Staatsoper München zu hören), doch für die witzig-kecken Partien der italienischen komischen Oper ist eben eine gewisse leggerrezza angesagt, die wünschenswert wäre. Das Orchester bemüht sich vergebens, die charakteristischen instrumentalen Figuren dieser Gattung zum Besten zu geben, denn die Stimmen von Dessì und Armiliato streben eher nach einer gewaltigen Verschmelzung, wie wir sie seit Verdi bewundern – in dieser Aufnahme im Übrigen musterhaft im Duett „Teco io sto“ aus Un ballo in maschera (1859) zu hören.
Der Tenor Fabio Armiliato bleibt allerdings keineswegs im Schatten der Sopranistin. Er besitzt eine schöne Stimme, besonders in der mittleren und in der hohen Lage, die an vielen Stellen an den jungen Domingo erinnert. Für die tiefen Lagen fehlt es ihm an Resonanz. Feinfühlig begleitet er seine Partnerin auf der Bühne wie im Leben. In einem Interview äußerte sie jüngst, dass „in jeder Oper eine neuen Mann zu lieben … sowohl musikalische Verbundenheit als auch menschliche Zuneigung“ vertiefe. Dem stimmt er vollkommen zu: „Unsterbliche Geschichten auf der Bühne zu erleben, ist ein Privileg“ (Orpheus, Jan./Feb. 2006, S. 2 ff.). Beide Künstler haben die Absicht geäußert, das Repertoire dieser CD auch in Konzertsälen vorstellen zu wollen – wir dürfen darauf gespannt sein, zumal sie die Zusammenarbeit mit deutschen Orchestern sowie die „Begeisterungsfähigkeit“ des deutschen Publikums schätzen.
Cristina Ricca