Joseph Haydn
London Symphonies: Sinfonien Nr. 94 & 99 / 95 & 98
Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, Ltg. Paavo Järvi
Seit ihrer Gründung hat sich die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen auch international gesehen zu einer festen Größe in der Orchesterlandschaft entwickelt. Bereits seit dem Jahr 2004 steht mit Paavo Järvi eine der schillerndsten Dirigentenpersönlichkeiten unserer Zeit dort am Pult. Mehrere epochale Projekte, darunter die Einspielung aller neun Beethoven-Sinfonien oder aller vier Brahms-Sinfonien nebst einem preisgekrönten Dokumentarfilm, haben seither in der Musikwelt große Anerkennung gefunden. Ein aktuelles Projekt ist die Einspielung der Londoner Sinfonien Haydns, aus dem auch die beiden vorliegenden CDs hervorgegangen sind.
Die beiden London-Reisen in den Jahren 1791/92 und 1794/95 gehören zweifellos zu den biografischen Höhepunkten des Meisters. Für die Aufenthalte in London entstanden die beiden Zyklen der Londoner Sinfonien. In Haydns bedeutendem Spätwerk, das er in den fast 20 verbliebenen Lebensjahren nach seiner Entpflichtung aus den Diensten am Hof des Fürsten Esterházy geschaffen hat, bilden die Londoner Sinfonien einen beträchtlichen Anteil. Mehr noch: Sie sind wahre Meilensteine innerhalb der Gattungsgeschichte und wegweisend für die Fortentwicklung der Sinfonie im 19. Jahrhundert. Die vorliegend eingespielten Sinfonien, darunter die im deutschsprachigen Raum auch als „Sinfonie mit dem Paukenschlag“ bekannte Nr. 94, sind mit Ausnahme der Nr. 99 Haydns erster London-Reise zuzuordnen.
In der vorliegenden Aufnahme kommt die Besetzung der Kammerphilharmonie Bremen der im späten 18. Jahrhundert kleineren Orchesterbesetzung durchaus nahe, was der Interpretation eine hohe Authentizität verleiht. Besonders besticht das breite Spektrum an klanglichen Nuancen, die die Kontrastwirkungen sowohl zwischen den langsamen Einleitungen und den Kopfsätzen als auch bei charakterlich gegensätzlichen Themen hervortreten lassen. Bei dem prägnanten Paukenschlag im zweiten Satz der Sinfonie Nr. 94, dem sie ihren berühmten Beinamen verdankt, zeigt sich ebenfalls eine bis ins Detail durchdachte Interpretation: So ist der Paukenschlag zwar immer wieder merklich präsent, aber zugleich harmonisch in das gesamte Klangbild eingebettet.
Insgesamt besticht die Aufnahme durch ihren ausgesprochen warmen und gesanglichen Ton sowie durch eine zurückhaltende Agogik. Die Aura der Wiener Klassik wird dadurch überzeugend vermittelt, was Paavo Järvi als erstklassigen Haydn-Interpreten und Kenner dieser Epoche auszeichnet. Das Booklet beschreibt nicht nur viele Hintergründe zu den eingespielten Werken, sondern auch interessante Details zur Musikästhetik der Entstehungszeit. Eine gelungene Aufnahme und eine weitere bravouröse Visitenkarte für die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen.
Bernd Wladika