Wagner, Richard

Lohengrin

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Profil PH09004, 3 SACDs
erschienen in: das Orchester 11/2009 , Seite 70

Studioaufnahmen von Opern sind rar geworden, zumeist behelfen sich die Plattenfirmen mit zusammengestückelten Live-Aufnahmen, die nicht immer beste Klangqualität erreichen. So ist die Neueinspielung von Richard Wagners “Lohengrin” aus Köln schon dadurch eine bemerkenswerte Ausnahme. Zudem kann sie mit der vollständigen Gralserzählung Lohengrins aufwarten, die Wagner noch vor der Uraufführung 1850 durch Franz Liszt in Weimar gekürzt hatte. Semyon Bychkov kann dabei auf eine große Erfahrung mit der Partitur zurückblicken, da er sie an der Wiener Staatsoper dirigierte und mit seinem WDR-Orchester häufiger aufführte.
Bychkov formt die Partitur dramatisch aus und lässt zugleich detailgenau musizieren. Es ist weniger ein romantisch leuchtender Lohengrin, wie in Rudolf Kempe in seiner maßstabsetzenden Einspielung mit den Wiener Philharmonikern voller Geheimnis zelebrierte, denn ein dramatisch-packender. Was aber keinen Verzicht auf Zwischentöne und Nuancen bedeutet. Dazu animiert Semyon Bychkov das WDR Sinfonieorchester Köln, dem man die Vertrautheit mit der Partitur anmerkt, zu einem bei aller Wucht immer wieder fast kammermusikalisch-transparenten Spiel. Das Orchester braucht sich in dieser Form vor keiner Konkurrenz zu verstecken. Dies gilt auch für die machtvollen Chortableaus, für die der kombinierte Prager Kammerchor, der Hamburger NDR Chor und der WDR Rundfunkchor Köln verantwortlich zeichnen.
Die auch klanglich stets überzeugende Aufnahme ist indes nicht nur ein Beispiel für die Qualitäten von Dirigent, Orchester und Chören, sondern zeigt, dass das viel gescholtene Niveau des heutigen Wagner-Gesangs noch beachtlich ist. Johan Botha gestaltet die Titelpartie mit lyrischem Schmelz, aparten klangfarblichen Schattierungen und einer sicheren Höhe. Es ist ein durchaus belcantistisch angelegter Lohengrin, auch wenn er nicht ganz das Niveau von Jess Thomas bei Kempe erreicht. Durchaus überzeugend singt er auch die vollständige Gralserzählung. Als Elsa steht ihm dabei Adrianne Pieczonka in nichts nach. Ihr silbern leuchtender Sopran ist, wo nötig, zur dramatischen Attacke fähig. So kann sie das Porträt einer nicht nur mädchenhaften Elsa gestalten.
Nicht ganz dieses Niveau vermitteln Falk Struckmann und Petra Lang als Gegenspielerpaar Telramund und Ortrud. Struckmann neigt gelegentlich zum konsonantenspuckenden Sprechgesang, Petra Lang agiert dramatisch imponierend, neigt aber zu Schärfen und findet in entscheidenden Momenten nicht zu tragischer Größe wie bedeutende Rollenvertreterinnen vor ihr. Klangvoll und genau in der Artikulation singt der koreanische Bass Kwangchul Youn den König Heinrich, ein mehr als überzeugender Heerrufer ist Eike Wilm Schulte.
Trotz der beachtlichen Lohengrin-Diskografie eine wichtige Neueinspielung, die den aktuellen Stand des Wagner-Gesangs auf ansprechendem Niveau widerspiegelt.
Walter Schneckenburger