Werke von George Gershwin, Ludwig van Beethoven, David Biedenbender und Edvard Grieg

Light

Sonus-Quintett

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Geniun
erschienen in: das Orchester 4/2025 , Seite 76

Das 20. Jahrhundert hat nicht nur die Grenzen der Tonalität gesprengt und die Ausweitung des musikalischen Materials und des Klangs vorangetrieben, es brachte auch neue Ensemblebildungen hervor. Vor über 30 Jahren hat sich in den Niederlanden das Calefax-Reed-Quintett gebildet, das erstmals die fünf Rohrblattinstrumente Oboe, Klarinette, Bassklarinette, Saxofon und Fagott in einem Ensemble vereinte und dem 2021 gegründeten Sonus-Quintett als Muster diente. Gefördert von Neustart Kultur konnte das junge Stuttgarter Ensemble mit den Musikerinnen Linda Gulyas (Klarinette), Viviana Rieke (Bassklarinette), Lena Iris Brendel (Saxofon), Annika Baum (Fagott) und dem Oboisten Eloi Enrique Hernández jetzt seine Debüt-CD vorlegen.
Das Motto der CD Light wird in Analogie zum Sehen vom Quintett auf das Hören übertragen: „Licht ist nicht nur das, was man hört, sondern das, was wir (Sonus) ermöglichen, dass man hört.“ Das Hörabenteuer beginnt mit einer Bearbeitung (R. Hekkema) von George Gershwins Ein Amerikaner in Paris, die voller Lebendigkeit, Agilität und Spielfreude den Geist des Ensembles repräsentiert. Da wird mit federnder Rhythmik das in vielen Klangfarben leuchtende Stadtleben und -erlebnis dargestellt, perfekt im Zusammenspiel und bis in die Spitzentöne mit absolut sicherer Bläsertechnik.
Besonders gefordert sind die jungen Interpreten in der Komposition Refraction des amerikanischen Komponisten David Biedenbender (*1984). Der erste Satz zieht seine Inspiration aus dem YouTube-Video Death Metal Chicken mit einem Huhn, das über eine Death-Metal-Band schreit. Guillaume de Machaut und Arvo Pärt sind die geistigen Väter des klanglich zurückhaltenden „Kyrie“ mit einem sich langsam verdichtenden Geschehen, zu dem der letzte Satz „Goat Rodeo“ wiederum scharf kontrastiert, dessen Titel auf eine chaotische Situation mit mehreren Personen anspielt. Das kompositorische Material wird im Verlauf der Sätze gebrochen, immer neu belichtet und wartet mit extremer Klanglichkeit auf.
Dass das Sonus-Quintett auch einfacher strukturierte Musik ausdrucksvoll gestalten kann, zeigt die angemessene Bearbeitung Raaf Hekkemas der Air aus der Holberg-Suite von Edvard Grieg. Ob es nötig ist, Beethovens Mondscheinsonate für die Reed-Quintett-Besetzung gefügig zu machen, dürfte nicht nur eine Frage des Geschmacks sein. Zumindest die von der Saxofonistin des Quintetts, Lena Iris Brendel, angefertigte Instrumentierung enthält mehr Schatten als Licht, besonders im skurril beginnenden letzten Satz. Original oder Bearbeitung bleibt für die Programme eines Reed-Quintetts immer eine künstlerische Grundsatzfrage. Unberührt davon bleibt in jedem Fall das mitreißende, vielfarbige Spiel des Sonus-Quintetts auf dem Premieren-Album.
Heribert Haase