David Philip Hefti

Light and Shade

Maria Riccarda Wesseling (Mezzosopran), Bernhard Röthlisberger (Bassklarinette), Amaryllis Quartett

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Neos Music NEOS 12101
erschienen in: das Orchester 09/2021 , Seite 91

„Aus Klang“ nennt David Philip Hefti (*1975) den ersten Satz seiner Komposition An durchsichtigen Fäden für Mezzosopran und Streichquartett (2018). Die gleichsam bohrenden Klänge, die das Stück eröffnen – mit Sul-ponticello-Vortrag geschärfte Streicherakkorde, ein tiefer, in Obertonbildungen übergehender Vokalklang, Impulsattacken, die ins Piano zurückgenommen werden, anschwellende Streichertutti –, umreißen einen aus Klang und Ausklang bestehenden Raum, den die Vokalistin in der Folge mit vokalen Linien füllt.
Abwechslungsreich und doch sparsam geht der gebürtige Schweizer in den insgesamt sechs Sätzen mit den gewählten Mitteln um: Er entwirft differenzierte Klangfarbenfelder, die er spielerisch um Geräuschkomponenten bereichert; lässt die Instrumente, gelegentlich gestützt durch perkussiven Bogengebrauch, in Phasen voller rhythmischer Bewegungsenergie ausbrechen; umgibt Gesangsphrasen und -einwürfe mit unterschiedlich beschaffenen Hüllen aus beweglichem und mitunter mikrotonal angereichertem Streicherklang (besonders suggestiv im dritten Satz „Quelle, Narbe, Gesicht?“ als miteinander abwechselnde Häufung von Obertonschleiern und Geräuschexplosionen um knarzende und flüsternde Stimmartikulationen); und er setzt dadurch die Worte aus dem zugrundeliegenden Gedicht von Kurt Aebli wechselnden Beleuchtungen aus.
Das Amaryllis Quartett, das im Zusammenwirken mit Maria Riccarda Wesselings wandlungsfähiger, klangfarbenreich eingesetzter Stimme einen atmosphärischen Moment an den nächsten reiht, überzeugt auch in den übrigen Stücken durch eine genaue Lektüre der Partituren. Diese Akribie kommt Heftis feinen Texturen auch in dem nur knapp elf Minuten dauernden fünften Streichquartett Concubia nocte (2018) entgegen: Hier lädt der Komponist die Klänge mit Bewegungsenergien auf, regt die Interpreten zu unaufhörlichen Klang-, Geräusch- und Tonhöhenverschiebungen an und schafft daraus eine ständig in Bewegung bleibende Musik, die neben rauen Momenten auch ruhige Phasen kennt und sich schließlich auf einen über zwei Minuten hinweg entfalteten C-Dur Akkord hin öffnet.
Das Ende der Veröffentlichung bildet die Trauermusik Danse interstellaire (2014), bei der Bassklarinettist Bernhard Röthlisberger zum Streichquartett hinzutritt. Der hohe, gepresst hervorgebrachte Klarinettenschrei, mit dem das Stück anhebt, bevor ihn die Streicher in hohen Registern mit Resonanzen versehen, markiert eines der Ausdrucksextreme dieser Musik. Abgelöst wird es von fragmentierten, durch Mehrklänge angereicherten Kantilenen, denen die Streicher einen schleppenden Duktus verleihen, oder auch vom erregten, sprachnahen Deklamieren, mit dem sich das Holzblasinstrument durch den Tonraum bewegt, bevor sich kurz vor dem Ende Bachs g-Moll-Invention aus dem musikalischen Kontext herausschält und den kompositorischen Bezugspunkt von Heftis Musik preisgibt.
Stefan Drees