Gustav Mahler / Anton Bruckner
Lieder eines fahrenden Gesellen/Des Knaben Wunderhorn / Vier Orchesterstücke
Markus Werba (Bariton), Orchestre national d’Île-de-France, Ltg. Enrique Mazzola
Eine gut gelungene, keine 60 Minuten lange CD mit Musik in kleinteiliger Form: Lieder und kurze Orchesterstücke. Und das von zwei großen österreichischen Musik-Romantikern im Lehrer-Schüler-Verhältnis (Bruckner – Mahler), die in einer Frage in ihren Vorstellungen vollkommen übereinstimmten: dem Recht des Komponisten auf sinfonische Weitschweifigkeit. Man könnte also sagen, diese CD führt auch denjenigen Hörer, der es mit der Weitschweifigkeit nicht so hat, an den sinfonischen Klang heran.
Tatsächlich bemüht sich das 1974 gegründete Orchester der Île-de-France mit 95 ständigen Mitgliedern darum, jedem Bürger an jedem Ort der Pariser Region sinfonische Musik nahezubringen. Diese kulturelle Dienstleistung für die Gemeinschaft setzt auf Popularität ohne Qualitätsminderung, seit einigen Jahren – genauer: seit 2012 unter Leitung des Italieners Enrique Mazzola – zudem auf mediale Verbindungen zwischen Audio und Video in Partnerschaft mit der Filmindustrie der Region Île-de-France und auf die Inklusion fremdartiger Instrumentenklänge wie den der orientalischen Laute Oud, andersartiger Musikpraktikern wie die von DJs und des einheimischen Chansongesangs. Es gibt Veranstaltungen speziell für Kinder und Musik-Shows für die ganze Familie. Finanziell unterstützt wird das Orchester in seinen musikpädagogischen Ambitionen vom regionalen Kulturministerium.
Musikpräsentation, die sich als Musikvermittlung begreift und den Hörer dennoch nicht zum Schüler degradiert, das bietet die vorliegende CD. Mahlers Lieder eines fahrenden Gesellen auf eigene Texte gibt es auch mit Klavierbegleitung. Doch der Dirigent Mazzola ist sich – laut Booklet – sicher, dass Mahler die Vielfarbigkeit des Orchesterklangs vorgezogen haben muss, denn das enge Verhältnis zwischen Klang und Text macht seine Lieder eigentlich erst in dieser Variante durchsichtig und verständlich.
Was der österreichischen Bariton Markus Werba mit seiner beglückend vielfarbigen Stimme und deutlichem Sprechen noch unterstreicht. Er ist weder sandig in der Tiefe noch unmännlich in der Höhe. Alles ist erfüllter Ton, und mit überzeugender Leichtigkeit kann er von lyrisch zu martialisch und zwischen schmerzerfüllt-resigniert zu schmerzerfüllt-aggressiv wandern. In den Liedern eines fahrenden Gesellen wird das ebenso lebendig wie in der Auswahl von sechs Liedern aus der Brentano-Gedichtsammlung Des Knaben Wunderhorn.
Das Orchester ist gleichermaßen ausdrucksstark und die von den Komponisten oft geforderten Bläser enttäuschen nie in Klang und Tonsauberkeit. Wie Lieder – ohne Worte – erscheinen auch die Orchesterstücke in vier Tempi und Charakteren von Anton Bruckner. Überhaupt die Tempi: Sie loten ohne Kalkül auf wilde Effekte die Spannungen zwischen Takt und Rhythmus gut aus.
Kirsten Lindenau