Frank Heidlberger/Gesine Schröder/Christoph Wünsch (Hg.)
Lexikon des Orchesters
Orchester und Ensembles weltweit – Geschichte der Aufführungspraxis – Komponisten und Dirigenten – Orchesterpraxis, 2 Bde.
Eine Welt in zwei Bänden. In mehr als 900 Artikeln werden Orchester und Ensembles mit ihrer Geschichte, zahlreiche Komponisten, Akteure jeglicher Couleur, sogar Länder beschrieben. „Das Orchester“, so die drei Herausgeber:innen Frank Heidlberger, Gesine Schröder und Christoph Wünsch, sei nicht nur „Material der Sinfonie“, es ist selbst Handelnder in einem Spiel, von innen betrachtet gar eine „Dimension“. Zudem ist das Lexikon dem Zusammenspiel zwischen den „Spielern und Dirigenten“ gewidmet. Bevor nämlich ein Ton gespielt wird, existiert das Orchester auch als „Ansammlung seiner früheren Auftritte im Kopf der mehr oder weniger erfahrenen Hörer“.
Außerdem weisen die Herausgeber:innen darauf hin, dass das Orchester zudem ein Sozialgefüge sei, welches als „künstlerisches Medium eine Vielzahl kommunikativer Identitäten spiegelt“. Wer einmal als Spieler:in in einem Orchester mitwirkte – gleich ob als Laie oder als Profi –, weiß das aus eigener Erfahrung. Und obgleich es ein sehr autoritäres Gefüge hin zum leitenden Interpretator repräsentiert, erweise sich kaum eine Kunstinstitution als so anpassungs- und widerstandsfähig gegen kurzlebige Moden.
Ferner bewertet das Lexikon kritisch viele Aspekte des Kulturbetriebs wie Stellenabbau und Konkurrenzverhalten in Bezug auf andere Kunstrichtungen, die von außen auf das Orchester eindringen, beschreibt faktenorientiert und positioniert sich in verschiedenen Kontexten. Dennoch ist den Herausgeber:innen auch klar, dass ein Orchester in all seinen Erscheinungsformen nicht bis ins Letzte beschrieben werden kann. Das Lexikon gibt trotz seiner Fülle nur einen Einblick in diese komplexe Welt.
Da finden sich nicht nur die üblichen philharmonischen Orchester der Erde und ihre jeweils bemerkenswerte Geschichte, sondern auch Artikel über Blasorchester, Bandoneonorchester, Ensemblemusiken in den jeweiligen Epochen, Damenorchester etc. Exotische Bezeichnungen wie „Janitscharenmusik“ und Gamelanorchester sind genauso zu entdecken wie Wissenswertes über Kinder- und Zitherorchester oder Posaunenchor. Enthalten sind die gängigen Orchesterinstrumente, aber auch Orgel und Klavier, sowie die heute weniger gebräuchlichen Instrumente wie Serpent oder Ophikleïde. Allerdings sucht man den Zink vergeblich.
Über Noten, Partitur oder die theoretische Literatur wie Orchestrationslehren finden sich wissenswerte Publikationen. Dann endlich die Akteur:innen selbst: Sogar die vielfältigen Aufgaben eines Orchesterwarts, des Orchestervorstands bis hin zu verstorbenen oder noch lebenden Maestri wurden berücksichtigt. Der Artikel „Probespiel, die künstlerische Eintrittskarte in das Traumorchester“ beschreibt Prozedur und assoziiert Hoffnung und Ängste. Und nicht zuletzt stehen die Komponist:innen – die Lieferant:innen musikalischer Glückseligkeit – im Fokus des Interesses. Ein Anhang mit herrlichen Bildern von Orchestern rundet das Lexikon ab.
Werner Bodendorff