Seedorf, Thomas / Ann-Christine Mecke / Martin Pfleiderer / Bernhard Richter

Lexikon der Gesangsstimme

Geschichte – Wissenschaftliche Grundlagen – Gesangstechniken – Interpreten

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Laaber, Laaber 2016
erschienen in: das Orchester 03/2017 , Seite 60

Wie schreibt man ein Lexikon? Und warum? Die zweite Frage ist vielleicht einfacher zu beantworten: weil man im vorhandenen lexikalischen Werk seiner Wahl einen Mangel entdeckt, den man sich zutraut, fundiert und versiert zu beheben (und dafür möglichst viele Mitstreiter gewinnen kann, deren beeindruckende Fachkenntnisse und lexikalische Autorenschaft im Anhang ausführlich dargestellt sind).
Dieses ist in gleichermaßen beeindruckender wie packender Art und Weise beispielhaft gelungen beim nun vorliegenden Lexikon der Gesangsstimme. Dieses äußerst sorgfältig durchdachte Werk berücksichtigt die Geschichte, die wissenschaftlichen Grundlagen, die Gesangstechniken und zahlreiche Gesangsinterpreten, ist dabei aber nicht in eben jene genannten Bereiche untergliedert, sondern rein alphabetisch geordnet.
Im durchdacht formulierten Vorwort erläutern die Herausgeber, dass es ihnen ein Anliegen sei, den „aktuellen Wissensstand verschiedener Disziplinen (Gesangspädagogik, Phoniatrie, Phonetik, Anatomie, Stimmphysiologie, Musikermedizin sowie historische und systematische Musikwissenschaft) zu vernetzen“. Das klingt nach einer Herkulesaufgabe und ist es sicher auch. Und dennoch werden vielleicht aufkeimende Zweifel an der Durchführbarkeit dieser Aufgabe während der Lektüre sehr schnell zum Verstummen gebracht; immer wieder stößt man auf gleichermaßen solide wie informative, interessante wie auch überraschende Artikel, die zum Weiterstöbern verführen und einen in das Faszinosum der Welt der Gesangsstimme entführen.
Dieses äußerst gelungene Werk stellt keine Gebrauchsanleitung zum Erlernen der Gesangstechnik dar, auch sind darin Analysen von Partien, Artikel zu Gattungen und Komponisten ausdrücklich ausgespart. Dies alles einzubeziehen hätte den Rahmen natürlich gesprengt; auch die Auswahl der gelisteten Sänger musste schon eng geführt werden. Die Herausgeber legten vor allem Wert auf ein schulbildendes Wirken oder Beispiele für ästhetische Moden. Besonders deutlich wird diese Auswahl an Extremen wie z.B. Frida Leider und John Lennon, deren unmittelbare Nachbarschaft im Lexikon sich eindeutig nicht auf Gemeinsamkeiten im Gesangsstil bezieht – wobei man sich bei dem unfreiwilligen Duo Little Richard/Logopädie eines Lächelns kaum erwehren kann. In Anbetracht dieser Zufälligkeiten kommt man gelegentlich ins Grübeln, ob nicht vielleicht auch ein Gliedern unter gemeinsamen Gesichtspunkten wie die oben aufgeführten Kategorien denkbar gewesen wäre. Allerdings passen viele Begriffe gar nicht so einfach in ein Raster; zudem wäre dann der übergreifende Gedanke doch wieder getrübt. Zur weiteren Anschaulichkeit tragen neben den sprachlich gut und verständlich formulierten Artikeln die zahlreichen Bildbeispiele wesentlich bei.
Wie schreibt man also ein Lexikon? Am besten so!
Christina Humenberger