Al-Odeh, Simon

Lewin

op. 11a. Musikalisches Portrait für Bass-Klarinette und Orchester, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Dohr, Köln 2016
erschienen in: das Orchester 02/2017 , Seite 60

Der 1988 in Peine geborene und in Recklinghausen aufgewachsene Simon Al-Odeh lebt jetzt in Köln. Er hat sich in seiner Jugend zunächst als Trompeter und Musiker im Bandbereich betätigt, ehe er sich mit 19 Jahren nach dem Arrangieren dem Komponieren zuwandte. Er studierte zunächst bei dem Aachener Rüdiger Blömer und ging dann in die Niederlande zu Dolf de Kinkelder und Alex Manassen. Seine Werkliste umfasst inzwischen über 40 Werke in unterschiedlichster Besetzung.
In dem musikalischen Porträt Lewin bezieht sich Al-Odeh auf die gleichnamige Person in Tolstois Roman Anna Karenina. Das Grüblerische, Verzweifelte dieser Person, die Tolstoi mit allen Leidenschaften ausgestattet hat, soll vor allem durch die Bassklarinette zum Ausdruck kommen, da sie durch ihre Klangvielfalt in den verschiedenen Tonlagen diesen Charakter in idealer Weise verkörpern kann, schreibt Al-Odeh im Vorwort zur Partitur. Diese Aussagen wecken natürlich bestimmte Erwartungen.
Der Blick in die Partitur des vierminütigen Stücks zeigt jedoch eine ganz schlichte tonale Kompo-
sition. Der Solopart nutzt die Möglichkeiten des Instruments viel zu wenig aus. Die Musik kommt allzu brav und ohne Leidenschaft daher – von der „schreienden Höhe“ der Bassklarinette ist nichts zu finden. Die Motive sind wenig aussagekräftig und die vom Jazz beeinflusste Harmonik überrascht nicht. Das sinfonisch besetzte Orchester – mit Piccolo und zwei Tuben – bietet neben Wiederholungen, weniger rhythmischer Abwechslung bei blockweisem Einsatz der Instrumentengruppen auch keine besonderen gestalterischen Ansätze. Es ist eine Musik, die nichts wagt.
Erst durch Recherchen wird klar, warum diese Komposition so brav daherkommt. Lewin ist 2009 entstanden, zu einer Zeit, als Al-Odeh kompositorisch noch sehr am Anfang stand; außerdem war das Stück ursprünglich für Blasorchester und Bassklarinette gedacht und orientiert sich an dem Können von jugendlichen Ensembles. So kann der Solopart von einem guten Musikschüler am Ende der Mittelstufe/ Anfang Oberstufe bewältigt werden. Voraussetzung ist dabei ein besonders durchsetzungsfähiger Ton, der am Ende dem Tutti des „herausbrechenden“ Orchesters standhalten muss. Hier wäre angesichts der ungünstigen Instrumentierung über eine stellenweise Oktavierung des Soloparts nachzudenken.
Lewin erfüllt nicht ganz die Erwartungen, die das Vorwort – das man um die Hintergründe des Stücks ergänzen sollte – weckt, nämlich ein musikalisches Porträt von Tolstois Romanfigur zu sein. Aber es ist eine eingängige, leicht einzustudierende Musik für ein Musikschulorchester, das Spielern der Bassklarinette zu einem Soloauftritt verhilft.
Heribert Haase

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