Antonio Vivaldi

L’Estro Armonico

12 Concerti op. 3, Armoniosa

Rubrik: CD
Verlag/Label: Reddress
erschienen in: das Orchester 11/2019 , Seite 66

Die Veröffentlichung von Antonio Vivaldis Opus 3 L’Estro Armonico brachte für den rothaarigen Mädcheninternatslehrer und Priester Antonio Vivaldi den Durchbruch und die europaweite Anerkennung. Dass Ausdrucksstärke zu den besonderen Vorzügen dieser bemerkenswerten Concerti gehört, macht diese Aufnahme deutlich. Festliche Klangpracht, klare Al-fresco-Wirkungen, edel-einfache Tonsprache und vollendete formale Ausgeglichenheit sind auch hier herauszuhören. Und die subtile Verschmelzung von geistlicher und weltlicher Musik wird bei der direkten und zupackenden Darbietung genau deutlich. Die Dynamik des Gesamtablaufs gerät so nie ins Schleudern, und auch die betonte Gegensätzlichkeit von Tutti und Soli wird nicht verleugnet. Das in der Regel dreisätzige Formschema gerät dabei nie aus dem Gleichgewicht, auch das Solo in der Dominanttonart zeigt vielfältigen Klangfarbenreichtum. Paralleltonarten werden in sensibler Weise berührt.
Der Gegensatz der Solothemen zu den Tuttithemen erreicht oftmals eine erstaunliche Intensität und spieltechnische Präsenz, da das fulminante Ensemble Armoniosa mit Michelle Barchi (Harfe), Daniele Ferretti (Orgel), Francesco Cerrato (Violine), Stefano Cerrato (fünfsaitiges Cello) und Marco Demaria (Cello) die akustischen Vorzüge im königlichen Schloss von Govone in Italien gut ausnutzt. So ergibt sich immer wieder ein äußerst lebendiges Musizieren, wobei der harmonischen Entwicklung auch oftmals nachgelauscht wird. Stellenweise ist sogar eine geradezu belcantistische Auflockerung der Satzweise zu erkennen.
Das alles klingt gelegentlich durchaus theatralisch und feurig, besitzt aber keinen übertrieben pathetischen Stil. Bei der einen oder anderen Passage könnte die dynamische Balance noch deutlicher sein. Interessant ist, wie stark Johann Sebastian Bach von Vivaldis L’Estro Armonico beeindruckt war. Von den zwölf Konzerten arrangierte er nicht weniger als sechs während seiner Zeit in Weimar in den Jahren 1708 bis 1717 und dann zwanzig Jahre später.
Das verdienstvolle Ensemble Armoniosa möchte diese Musik für das 21. Jahrhundert attraktiv machen, was ihm durchaus gelingt. Der Cembalospieler von Armoniosa, Michele Barchi, hat die ganze Sammlung L’Estro Armonico für Geige, fünfsaitiges Cello „piccolo“, Cello, Orgel und Cembalo bearbeitet. Dies verleiht der Aufnahme auch eine ungewöhnlich starke klangliche Transparenz. Im Gedächtnis bleibt dabei insbesondere der überaus stringent musizierte Larghetto-Satz des zweiten Concertos in e-Moll RV 578, in dem das Ensemble Armoniosa ganz zusammenwächst.
Alexander Walther